«Das Schlimmste, was einer Maskenbildnerin passieren kann, ist ein vierstündiges Stück, in dem sie nichts zu tun hat», erklärt Judith Janser. Man versteht sofort: Diese quirlige Frau ist gerne tätig, und sie liebt es, Menschen zu verwandeln.
Schminken, Schnäuze und Bärte ankleben, Perücken aufsetzen, Silikonohren und -nasen montieren – das alles machen Janser und ihre elf Kolleginnen in der Maske im Schauspielhaus Zürich.
Die Maske als Tunnel
Jansers Reich sieht aus wie ein Coiffeursalon der besonderen Art. In den Regalen sind bunte, altmodische Lockenwickler in allen Grössen gestapelt. In einem geheizten Ofen liegt ein Dutzend Brennscheren einsatzbereit.
Viele, etwas schäbig aussehende Perücken und Haarteile sind aufgereiht und vor einer langen Spiegelfront stehen vier alte, behäbige Coiffeurstühle. Das Atelier hat das Zeug zum Bühnenbild.
Manche Schauspieler beschreiben den Aufenthalt in der Maske wie das Einfahren in einen Tunnel: Man nimmt Platz, entspannt sich, wird von der Maskenbildnerin bearbeitet und verlässt den Tunnel wieder verwandelt.
Flattrige Nerven sind fehl am Platz
Für die Maskenbildnerin ist dieses Prozedere Dienstleistung pur. Es fordert eine gehörige Portion psychologisches Fingerspitzengefühl.
Vor einer Premiere dürfe man als Maskenbildern nicht nervös sein, weiss Janser. «Eine Maskenbildnerin mit flattrigen Nerven ist am falschen Ort.»
Vorlage für die Verwandlung ist die sogenannte Figurine. Das sind Zeichnungen oder Kopien aus Modezeitschriften, mit denen die Kostümbildnerinnen den Charakter einer Figur skizzieren.
Während der Proben braucht es dann unbedingt eine Kontrolle. Das Bühnenlicht beeinflusst Haarfarben und Schminke.
Ein Leben fürs Theater
Judith Janser hat die Theaterluft früh geschnuppert: Bereits als Sechsjährige hat sie ihren Vater begleitet, der im Schauspielhaus Beleuchter war. Auf ihren Erkundungstouren durch das Theater hat es ihr die Maske besonders angetan.
Hier hat sie nach einer Grundausbildung als Coiffeuse ihre Ausbildung gemacht – und ist dem Haus treu geblieben. Seit 31 Jahren ist sie als Maskenbildnerin im Schauspielhaus Zürich tätig. Heute leitet sie die Abteilung Maske.
«Die letzten 10 Jahre unter der Intendanz von Barbara Frei waren ein regelrechtes Maskenfest. Wir haben Unglaubliches gemacht!» schwärmt Janser.
Perückenrecycling und Nasengiessen
Die aufgereihten Perücken und Schnäuze sprechen Bände: In einer Perücke stecken bis zu 60 Stunden Arbeit, denn hier wird Haar für Haar einzeln von Hand geknüpft.
Dass diese Perücken und Haarteile sorgfältig aufbewahrt, um später recycliert zu werden, versteht sich von selbst. Haare sind ein kostbares Produkt: Ein Kilo gutes Haar kostet bis zu 6000 Franken.
Das Maskenfest im Schauspielhaus und die Wünsche der Regisseure und Kostümbildnerinnen fordern viel, auch Jansers planerisches Geschick. Das heisst: Sollte die Maske tatsächlich während einer Vorstellung wenig zu tun haben, werden für neue Stücke fleissig Silikonohren gegossen und Schnäuze geknüpft.