Krieg im Nahen Osten, Krieg in der Ukraine, Dürren, Überschwemmungen, Artensterben, populistische Regierungen – die Zukunft sieht düster aus. Doch der deutsche Historiker Philipp Blom erkennt einen Silberstreif am Horizont: die kluge Hoffnung. Für ihn bedeutet dies, eine schwierige Welt mit der Möglichkeit einer besseren Zukunft zu verbinden – ohne sich etwas vorzumachen.
SRF: In Ihrem jüngsten Buch mit dem Titel «Hoffnung» schreiben Sie von «kluger Hoffnung». Was verstehen Sie darunter?
Philipp Blom: Hoffnung ist ein seltsames Gefühl. Es kann bedeuten, dass man sich in irgendeine Illusion wirft, weil es einem dann besser geht. Das ist jedoch nicht klug: Diese Art Hoffnung muss enttäuscht werden.
Hoffnung wäre für mich: Eine schwierige Welt mit der Möglichkeit einer besseren Zukunft zu verbinden.
Deswegen habe ich mir Gedanken gemacht: Wie kann ich hoffen, ohne mir Illusionen zu machen? Wenn das gelingt, wäre das ein kluger Zugang zur Welt.
Ist «kluge Hoffnung» dasselbe wie Optimismus?
Nein. Wir stehen vor einer Klimakrise, haben zusammenbrechende demokratische Systeme, steigende soziale Ungleichheit. Es gibt fürchterliche Kriege in der Welt. Zu sagen «mach dir keine Sorgen, alles wird gut» wäre Optimismus.
Trotz aller Widrigkeiten, ist es wichtig zu sagen: Ich will mich dafür einsetzen, dass sich etwas verbessert.
Hoffnung ist für mich vielmehr: Eine schwierige Welt mit der Möglichkeit einer besseren Zukunft zu verbinden, ohne sich Illusionen zu machen. Dieser Gedanke ist viel herausfordernder.
Ist Hoffnung mit Sinnhaftigkeit eng miteinander verbunden?
Hoffnung ohne Vorstellung eines grösseren Sinns ist schwierig. Wir leben in säkularen Gesellschaften, und in diesen werden wir stark als Individuen angesehen. Unser Lebensentwurf geht dahin, dass wir persönlich erfolgreich sind. Wenn man nur seine eigene Lebensspanne und eigene Kraft hat, dann ist es schwierig, mit diesem Verständnis Hoffnung aufzubauen. Es braucht einen Horizont, der grösser ist als das eigene Leben.
Es gibt diesen Dreiklang «Glaube, Liebe, Hoffnung». Wie irrational ist Hoffnung, wenn wir die anderen beiden Begriffe anschauen?
Hoffnung hat immer etwas mit einem «Trotzdem» zu tun. Wenn alles super ist, es allen gut geht und man keine Wünsche mehr hat, dann braucht man auch keine Hoffnungen. Man muss immer trotzdem hoffen. Das könnte man als irrational bezeichnen.
Trotz aller Widrigkeiten ist es wichtig zu sagen: Ich will mich dafür einsetzen, dass sich etwas verbessert. Aber nicht aus Blindheit! Ich will sehenden Auges wissen, dass es auch schwierig sein wird, dass ich es vielleicht nicht erreiche.
Im Sessel sitzen und darauf hoffen, dass alles besser wird, ist keine gute Strategie.
Der Dissident Václav Havel, der nach der Revolution tschechischer Präsident geworden ist, sagte einst: «Hoffnung heisst für mich, mich einzusetzen, obwohl ich weiss, dass es vielleicht keinen Erfolg hat.» Das ist ein guter Zugang zu Hoffnung.
Wie wichtig ist es, dass Hoffnung auch Taten folgen?
Im Sessel sitzen und darauf hoffen, dass alles besser wird, ist keine gute Strategie. Sich zu fragen, wie man in seinem Leben, in seinem kleinen Bereich die Welt zum Besseren verändern kann, wäre ein Anfang.
Während ich an meinem Buch schrieb, habe ich mit einem indischen Dichter aus Kalkutta korrespondiert, der mir gesagt hat: Mit Hoffnung habe ich nicht viel am Hut. Was mein Leben beflügelt, ist der Möglichkeitssinn. Er brauche diese Idee einer offenen Zukunft: Dass wir noch etwas ändern können und die Welt noch nicht in Beton gegossen ist. Das fand ich interessant. Dieser Möglichkeitssinn ist etwas bescheidener als Hoffnung. Damit blickt man auf eine Situation und sagt: Na ja, vielleicht kann ich da noch etwas machen.
Das Gespräch führte Ivana Pribakovic. Es ist eine gekürzte Fassung der Sendung «Tagesgespräch».