Seit rund 25 Jahren ist er Pfarrer im Raum Zürich: Marcel von Holzen ist gerne für die Menschen da, von der Wiege bis zur Bahre. Insbesondere Menschen am Ende ihres Lebens begleiten zu können, liegt dem 52-Jährigen am Herzen: «Da geht es um existenzielle Fragen. Die bewegen mich immer wieder neu.»
Auch die Sakramente, «die heiligen Zeichen», seien ihm wichtig: «Ich möchte auf das Unsichtbare hinweisen, auf etwas, das nicht ‹verzweckt› werden kann. Es ist wunderbar, ganz für dieses Heilige da zu sein.»
Gottesdienst zu feiern, habe etwas Mystisches, sagt von Holzen. Hier liebe er die Tradition. Sonst bezeichnet er sich als liberalen und vom Humanismus geprägten Mensch.
Ständige Verfügbarkeit
Sein Beruf sei anstrengend, erzählt von Holzen: «Immer für die Seelsorge verfügbar zu sein, braucht viel.» Manchmal habe er wochenlang fast keinen Tag und Abend frei. Freunde oder Bekannte seien immer wieder enttäuscht, wenn er den Konzertbesuch oder die Wanderung absagt.
Es ist für den Pfarrer eine Herausforderung, Zeit für Freundschaften zu finden. Wie viel schwieriger wäre es also, auch für eine Familie da zu sein? «In diesem Sinn ist das Zölibat ein Stück weit sinnvoll», findet von Holzen. Doch die Frage der Verfügbarkeit sei eine andere als jene nach der Sexualität.
Schliesslich sei diese von Gott geschenkt. «Daher bin ich verpflichtet, gut damit umzugehen», ist der Pfarrer überzeugt. Das körperfeindliche Bild eines enthaltsamen Priesters sei weder realistisch noch biblisch, geschweige denn menschlich.
Sexualität ins Leben integrieren
Für Marcel von Holzen gehöre das Pflichtzölibat abgeschafft. Man solle sich freiwillig entscheiden können. «Ich habe einen evangelischen Kollegen, der schon immer zölibatär gelebt hat. Für ihn stimmt diese Lebensweise bis heute», erzählt er.
Von Holzen fühlt sich dieser frei gewählten Lebensform zwar verpflichtet, differenziert aber: «Als Priester bin ich auch ein sexueller Mensch und muss Wege finden, wie ich meine Sexualität ins Leben integrieren kann.» Ganz so, wie es auch Singles tun würden, wenn sie gut leben wollen.
Keine Scheu vor Kritik
Marcel von Holzen steht zu seiner Sexualität und stellt fest: «Ich bin glücklich damit. Sie ist kein zentraler Teil meines Lebens, aber einer, der mein Leben schön und lebenswert macht.» Damit hinterfragt der Priester die Auslegung der offiziellen Kirchenlehre. Mögliche Kritik nimmt er in Kauf – und könne sie nachvollziehen.
Wir sollten es dem Menschen überlassen, wie er sein Intimleben gestaltet.
«Aber ich versuche, die kirchliche Lehre so zu interpretieren, dass ich ihr einen Dienst erweise. Sonst kann ich es gleich sein lassen, wenn ich nur buchstabengetreu repetiere, was in Dokumenten steht», gibt von Holzen zu Bedenken.
Keuschheit bedeutet für ihn nicht nur, enthaltsam zu leben, sondern einen guten und respektvollen Umgang zu pflegen. Ganz so, wie das Wort noch im Mittelhochdeutschen verwendet wurde und so viel wie «sittsam» oder «bewusst» bedeutete. «Das gilt für Sex in der Ehe, aber auch als Single», betont er.
Über die weitverbreitete Doppelmoral in der römisch-katholischen Kirche könne er nur den Kopf schütteln. Sein Wunsch an die Kirchenverantwortlichen: «Dass man es dem Menschen überlässt, wie er sein Intimleben gestaltet. Dann könnte man ein Problem weniger mit sich herumtragen und sich den wirklich grossen Herausforderungen widmen.»