Der Präsident der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) räumt im Umgang mit Missbrauchsfällen in der römisch-katholischen Kirche Fehler ein. Bischof Felix Gmür betont im Interview mit der «NZZ am Sonntag» aber auch, dass die katholische Kirche schon seit längerem im Thema aktiv sei.
Die vorherrschenden Zustände müssten hinterfragt werden, führt der SBK-Präsident aus. Aus seiner Sicht sei die Zeit reif, um das Zölibat abzuschaffen und Frauen den Zugang zum Priesterinnenamt zu ermöglichen.
Basis gegen Zölibat
Welche Zukunft hat das Zölibat? Auch Papst Franziskus erklärte vor einer gewissen Zeit, dass das Prinzip nicht in Stein gemeisselt sei. «Bei der Basis, insbesondere bei den progressiven Katholiken in der Schweiz, der Mehrheit, hat das Zölibat keinen Rückhalt», erklärt SRF-Religionsredaktorin Nicole Freudiger. Das Zölibat sei etwas Historisches, etwas, was es erst seit dem Mittelalter gebe. «Es gibt konservative Kreise, welche am Zölibat hängen, aber diese sind ganz klar in der Minderheit.»
Das Zölibat sei auch ein Problem betreffend des Priestermangels, so Freudiger. «Es gibt viel weniger Menschen, welche Priester werden können, wenn man zölibatär leben muss.» Auch in anderen Teilen der Welt habe das Zölibat keine Zukunft.
Wenig Hoffnung an der Spitze
Anders sehe es jedoch an der Spitze der Kirche aus. «Im Vatikan und bei den traditionellen Katholiken ist nicht absehbar, dass das Zölibat abgeschafft wird. Bei der sogenannten Amazonas-Synode 2019 gab es die grosse Hoffnung, dass der Papst das Zölibat lockern könnte.» Diese Hoffnungen seien jedoch nicht erfüllt worden, so Freudiger.
Die Leute wissen, dass beim Zölibat etwas nicht stimmt und das muss die Kirche erst einmal zugeben, und zwar öffentlich.
Die Spitze der katholischen Kirche sieht das Ganze also etwas anders als die Basis. Stefan Loppacher, Priester und Präventionsverantwortlicher beim Bistum Chur, ist deshalb eher zurückhaltend, was eine Prognose betrifft. «Ich schwanke manchmal selber zwischen Optimismus und Pessimismus hin und her.» Der Papst könne am Morgen aufstehen und erklären, dass für Zentraleuropa das Zölibatsgesetz nicht mehr gelte.
«Es braucht eine andere Kultur»
Das sei jedoch nicht der springende Punkt, so Loppacher. «Sie müssen zuerst eine andere Kultur haben, wo eine gewisse Freiheit im Umgang mit dem Thema möglich ist.» Die Kirche müsse zuerst den Leuten erklären, dass es falsch gewesen sei, den Menschen in der Sexualität ständig dreinzureden.
«Die Kirche müsste zugeben, dass im Zölibat viele gescheitert sind.» Die Leute auf der Strasse seien nicht dumm, so Loppacher, und wüssten aus ihrem eigenen Leben und ihrer Erfahrung, dass dies nicht funktionieren könne. Jede Pfarrei kenne einen Fall, wo der Pfarrer bereits eine Partnerin hatte. «Die Leute wissen, dass beim Zölibat etwas nicht stimmt und das muss die Kirche erst einmal zugeben, und zwar öffentlich.»