Künstliche Intelligenz hat in den letzten Jahren rasante Fortschritte gemacht. KI-Systeme wie ChatGPT schreiben auf Knopfdruck Texte, andere KIs erkennen Bilder oder lenken Autos – scheinbar vollautomatisch und ohne menschliche Hilfe.
Doch so einfach ist es nicht: Bei vielem, wo KI draufsteht, hat am Ende (oder am Anfang) doch der Mensch seine Hände im Spiel. Dabei wird gerne die Geschichte des «Mechanical Turk» bemüht – ein vermeintlicher Schachroboter aus dem 18. Jahrhundert, in dem ein Mensch versteckt war.
Der ursprüngliche «Mechanical Turk» wurde im Jahr 1854 bei einem Feuer zerstört. Doch seine Idee lebt fort – als Metapher für Technologien, die Autonomie vorgaukeln, während im Hintergrund Menschen harte Arbeit leisten.
KI trainieren für unter zwei Dollar Stundenlohn
Auf KI basierende Systeme zur Bilderkennung etwa sind dank neuer Technologien wie dem maschinellen Lernen immer besser geworden. Doch viel von den in den letzten Jahrzehnten erzielten Fortschritten hat auch mit menschlicher Arbeit zu tun, die gerne verschwiegen wird.
Denn um festzustellen, ob eine KI beim Training ein Bild richtig erkannt hat oder nicht, müssen erst Unmengen von Bildern von menschlichen Helferinnen und Helfern kategorisiert werden.
Auch KI-Textgeneratoren sind im Training auf viel menschliche Unterstützung angewiesen: Um sicherzustellen, dass die künstliche Intelligenz Eingaben richtig versteht und keine Hassrede oder andere problematische Texte ausgibt, müssen Menschen das System entsprechend instruieren.
Solche Arbeiten finden häufig in Billiglohnländern statt. Arbeiterinnen und Arbeiter sitzen dafür stundenlang vor dem Bildschirm und bekommen es dabei meist auch mit psychologisch belastenden Inhalten zu tun.
Wie das «Time»-Magazin 2023 bekannt gemacht hat, zahlte OpenAI, das Milliarden-Unternehmen hinter ChatGPT, für diese monotonen und belastenden Aufgaben zum Teil Stundenlöhne von weniger als zwei Dollar.
Anderthalb Leute oder ein Taxifahrer?
Ein anderes Beispiel ist die Moderation von Inhalten in den sozialen Medien: Firmen wie das Facebook-Unternehmen Meta behaupten gerne, künstliche Intelligenz würde automatisch unerwünschtes Material auf seinen Plattformen entfernen. Allerdings müssen viele dieser fragwürdigen Inhalte am Ende doch von Menschen geprüft werden, weil es zu unzuverlässig ist, sich bei der Kontrolle nur auf KI zu verlassen.
Auch bei selbstfahrenden Autos sitzt in Wahrheit zuweilen ein «Mechanical Turk» am Steuer. Der Robotaxi-Anbieter Cruise etwa, ein Tochterunternehmen von General Motors, rühmte sich, in San Francisco eine autonome Taxi-Flotte zu betreiben. Doch wie sich herausstellte, wurde jede Fahrt von Menschen überwacht – von durchschnittlich anderthalb Leuten pro Taxi.
Perfides Versteckspiel
Warum geben Unternehmen nicht zu, dass ihre angeblich autonomen Systeme oft auf menschliche Hilfe angewiesen sind? Ein Grund liegt in den Erwartungen von Investorinnen und Investoren. Um als technologischer Vorreiter zu gelten und Kapital anzuziehen, wird mehr versprochen, als die Technologie tatsächlich leisten kann.
Bis zur Erfüllung dieser Versprechen – falls sie sich denn je erfüllen – müssen Menschen in die Bresche springen, die im Verborgenen arbeiten. Nicht wie beim historischen «Mechanical Turk» versteckt in einer Kiste allerdings, sondern gleich auf einem anderen Kontinent.