Für Florin war die Primarschule ein Spaziergang. Die Frage «Gymnasium oder Berufslehre?» stellte sich ihm nicht. Er trat den akademischen Weg an – vorerst. Doch die Schule langweilte ihn nach drei Jahren, er wollte eine Lehre machen.
Seine Mutter war erst dagegen. Sie hatte Angst, dass er sich Chancen verbaut.
Das Verständnis meiner Lehrer im Gymnasium für meine Pläne, eine Lehre anzutreten, war relativ klein.
Er musste regelrecht dafür kämpfen, sich über Schnupperlehren ein Bild von technischen Berufen machen zu können. «Das Verständnis meiner Lehrer im Gymnasium für meine Pläne, eine Lehre anzutreten, war relativ klein», sagt Florin Läubin rückblickend.
Damit spricht der Gymiabgänger ein Politikum an. Aus den Reihen der Schweizerischen Volkspartei (SVP) hat der Bundesrat den Auftrag gefasst, einen Bericht darüber zu erstellen, wie der Übergang vom Gymnasium in die Berufslehre für Jugendliche wie Florin einfacher und attraktiver gestaltet werden kann.
Die SVP begründet ihren Vorstoss mit der Beobachtung, dass immer mehr Kinder das Gymnasium besuchen wollen. Aber wenn dies aus verschiedenen Gründen nicht klappt, würden sie oftmals nicht wissen, welche anderen Optionen sie hätten.
Der Kompromiss
Florin hatte zwar keine Unterstützung seiner Schule, doch sein Vater stand ihm zur Seite. Vielleicht war es Florins Glück, dass dieser Berufsberater ist.
Für seinen Vater war Florins Wunsch, in eine Berufslehre zu wechseln, also kein Problem. Seine Mutter sah das anders. Eva Läubin hatte Angst, dass er sich Chancen verbauen würde: «Meine Vorstellung ist: Wenn man eine Matura hat, kann man alles machen, was man will. Ich sah letzthin eine Plakatwerbung für ein Gymnasium mit der Aufschrift ‹Dann steht dir die Welt offen›», sagt Eva Läubin.
Florin hätte zudem immer problemlos gelernt. Da sei es logisch gewesen, dass er dieses Potenzial auch ausnutzen sollte.
Eva liess den Jungen aber ziehen, unter einer Bedingung: Dass er begleitend die Berufsmatura macht. Deal! Florin wollte ohnehin diesen Weg gehen, wie er heute erzählt. Er sieht seine Zukunft nämlich in der Medizinaltechnik.
Seine Mutter weiss, dass ihr Sohn sich keine Chancen verbaut hat. Florin könne vielleicht nicht mehr alles ohne Hürde studieren, würde vielleicht noch eine Passerelle brauchen, wenn er in eine weiterführende Schule möchte. «Er kann weiterhin alles machen – vielleicht einfach mit einer Schlaufe mehr», sagt sie.
Die Entscheidung, in eine Lehre zu wechseln, war für Florin rückblickend goldrichtig: «Ich sehe, dass er gerne zur Arbeit geht und mir begeistert von seinen Projekten erzählt. Das war im Gymnasium nicht so.» Darüber ist Eva Läubin sehr glücklich.
Ihr Sohn erzähle aber auch von der Verantwortung, die er übernehmen müsse und von schwierigen Situationen am Arbeitsplatz. Das wäre im Gymnasium weniger der Fall gewesen, da lebe man mehr in einer Blase. Die Lehre habe ihn jedoch aufblühen und wachsen lassen: «Florin ist in dieser Zeit so viel reifer geworden, hat gelernt hinzustehen», erklärt Eva Läubin.
Lehre sorgt für starke Soft Skills
Eine Studie vom Bund belegt diesen Zusammenhang: Lehrlinge schneiden besser ab, wenn es um fachübergreifende Kompetenzen und Persönlichkeitseigenschaften geht, also um sogenannte Soft Skills.
Die Erhebungen zeigen: Auf dem dualen Bildungsweg erwerben die Jugendlichen mehr Soft Skills als auf dem rein schulischen Weg. Das hat damit zu tun, dass sie in einem Lehrbetrieb mit mehr unterschiedlichen Menschen arbeiten müssen als in der Schulklasse. Im Klassenzimmer bleiben die Jugendlichen unter sich.
22 solcher Soft Skills wurden untersucht, darunter: Belastbarkeit, Eigeninitiative, unternehmerisches Denken, Kommunikationsfähigkeit, Zuverlässigkeit, Durchsetzungsfähigkeit oder Flexibilität.
Einzig bei analytischem Denken und Lernfreudigkeit haben Gymnasiasten die Nase vorn. In Sachen Organisationsfähigkeit sind beide gleich auf.
Volltreffer Technikausbildung
Seit drei Jahren wird Florin nun bei der Firma Marti Engineering zum Konstrukteur ausgebildet. Das KMU in Mitlödi (GL) beschäftigt rund 50 Mitarbeitende. Diese zeichnen und bauen Maschinen, die andere Unternehmen für ihre Produktion benötigen.
Florin ist einer von vier Lehrlingen und war im ersten Jahr in der Montage. Dort wird das umgesetzt, was er heute, im dritten Lehrjahr, am Computer zeichnet.
Jeder Tag ist anders, und am Schluss steht eine Maschine da, die du gemacht hast.
Bereits im Sommer musste er eine Konstruktion für einen Kunden entwickeln und umsetzen. Klar, hatte er den Lehrmeister zur Seite. Den Kontakt mit dem Kunden pflegte aber Florin. Er musste auch mögliche Risiken berechnen und einschliessen. Wenn er heute die Zeichnungen für «seine Maschine» am PC betrachtet, macht ihn das stolz.
«Jeder Tag ist anders, und am Schluss steht eine Maschine da, die du gemacht hast», sagt Florin – darauf angesprochen, was ihm denn am Arbeiten in einem Betrieb besser gefalle als am Gymnasium. Florin spielte als Kind leidenschaftlich gerne Lego. Er glaubt, daher kommt seine Freude für die Technik.
Mit seinem Weg gehört er zu den zwei Drittel Jugendlichen, die jährlich eine Berufslehre starten: rund 70'000. Diese Zahl bleibt konstant, zeigt der Bildungsbericht 2023, der alle Daten rund um das Schweizer Bildungssystem erfasst und analysiert. Zehn Prozent der Jugendlichen machen ein Zwischenjahr oder besuchen ein Brückenangebot, ein Fünftel besucht das Gymnasium.
Die rund 70'000 Lehrlinge verteilen sich auf 250 unterschiedliche Berufsfelder. Die beliebteste Berufslehre ist seit Jahrzehnten die der Kauffrau oder des Kaufmanns. Hoch im Kurs sind auch der Detailfachmann, die Informatikerin, die Fachfrau Gesundheit oder der Techniker.
Der Wechsel hat sich gelohnt
Florin ist jetzt im dritten Lehrjahr, im Sommer geht es ins Vierte. Als er noch in der Phase war, in der er in verschiedenen Betrieben geschnuppert hat, wusste er einzig, dass es ihn in die technische Richtung zieht.
Genau so habe ich es mir vorgestellt.
Heute, als angehender Konstrukteur, sagt er: «Ich bin genau richtig. Genau so habe ich es mir vorgestellt.» Auf die Frage, ober er den Schritt auch schon bereut habe, antwortet er mit einem breiten Grinsen: «Ja – dann, wenn meine Freunde im Gymi mehr Ferien und mehr Freizeit haben. Aber nur dann.»
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