Lutz Seiler ist ein vielseitiger Schriftsteller, der sich in unterschiedlichen Genres wohlfühlt. In vielen seiner Werke paart sich Dringlichkeit mit literarischer Tradition. Dass nun der diesjährige Georg-Büchner-Preis an ihn geht, ist keine grosse Überraschung. Er ist ein bereits mit vielen renommierten Preisen ausgezeichneter Autor.
In ihrer Begründung schreibt die Jury: «In Lutz Seiler ehrt die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung einen Autor, der mit klangvollen Gedichtbänden begann, von dort zum Erzählen fand, stets aber ein so klarer wie rätselhafter, dunkel leuchtender Lyriker bleibt.»
Freiheit und Selbstbestimmung
Zum Schreiben fand der heute 60-Jährige über Umwege. Zunächst arbeitete Seiler, der in der DDR aufwuchs, als Zimmermann und Maurer. «Nichts deutete in dieser Zeit auch nur ansatzweise auf Gedichte hin», sagte er einmal. «Literatur interessierte mich nicht.»
Erst während seiner Dienstzeit in der Nationalen Volksarmee der DDR entdeckte er die Literatur für sich. Zuerst trat er als Lyriker mit einem unverwechselbar eigenen Ton hervor. Seine Gedichte waren beeinflusst von Motiven aus seiner Kindheit.
In einem Interview mit der Zeitung «Die Welt» erzählte Seiler, sie sei unter anderem von Müdigkeit und Abwesenheit geprägt gewesen. Später wurde die Zeit der deutschen Wiedervereinigung für ihn ein wichtiges Thema.
In seinem Romandebüt «Kruso» – 2014 wurde er dafür mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet – erzählt er von Aussteigern, die 1989 eine Gaststätte auf der Ostseeinsel Hiddensee betreiben. Ihr Glück suchen sie nicht in der Flucht in den Westen, sondern in der inneren Freiheit.
Sein zweiter Roman «Stern 111» knüpft an diese Geschichte an. Sie trägt autobiografische Züge, erneut mit der zentralen Frage, was Freiheit bedeutet und wie man damit umgeht.
«Das Ohr ist der Zensor»
Lutz Seilers Werk – seine Lyrik genauso wie seine Erzählungen und Romane – ist durchzogen von einer poetischen, musikalischen Sprache. «Das Ohr ist der Zensor. Auch für die Wortwahl», erklärte der Autor einst in einem Interview.
Seiler hat unter anderem den Ingeborg-Bachmann-Preis, den Deutschen Buchpreis und den Preis der Leipziger Buchmesse gewonnen – und jetzt den Georg-Büchner-Preis. Ein Journalist fragte ihn einmal, ob man sich eigentlich an diese grossen Preise gewöhne.
Seilers Antwort: «Ganz bestimmt nicht. Immer wenn man ein neues Buch anfängt, ist man im Grunde zurückgeworfen aufs Nichtskönnen. Und die Zweifel sind gross, ob man überhaupt jemals wieder wird schreiben können.»