1993 erschien mit «Die Erde der Rede» Eggers erste grössere eigenständige poetische Publikation. Seitdem habe er ein umfangreiches Werk vorgelegt, das «die Grenzen der Literaturproduktion überschreitet und erweitert», teilte die Jury mit.
Oswald Egger sei eine überraschende Wahl, sagt SRF-Literaturredaktor Tim Felchlin. «Nicht weil Egger den Preis nicht verdient hätte, sondern weil er kein besonders bekannter Autor ist.»
Faszinierende Verschränkungen
In den 1990er-Jahren veröffentlichte Egger seine ersten Gedichte. In der Zwischenzeit ist ein riesiges Werk zusammengekommen. Dazu gehören auch Prosastücke oder Hörspiele. Die Lyrik ist aber Eggers wichtigste Ausdrucksform geblieben. Zuletzt von ihm erschienen ist der Band «Farbkompartimente».
Eggers Texte wurden ins Französische, Englische und andere Sprachen übersetzt. Sie widersetzten sich einer raschen Lektüre, schreibt die Jury. Das sieht auch Tim Felchlin so: «Bei Egger verschränken sich Zeichenformen und Textformen ineinander.»
Bestes Beispiel sei wohl Eggers Hauptwerk «Die ganze Zeit», ein experimenteller, über 700 Seiten starker Roman. «Darin gibt es Textblöcke in Prosa, sowie kurze vierzeilige Strophen, die scharenweise im Buch verteit sind und Zeichnungen des Autors», sagt Felchlin.
Wunderliche Wortschöpfungen
Leicht zugänglich ist Oswald Eggers Literatur für Felchlin auch deshalb nicht, weil sie die Regeln der Grammatik und Syntax unterlaufe. «Egger schöpft aus einem immensen Wortschatz und ergänzt seine Sätze mit fantasievollen Wortschöpfungen.»
Oswald Egger, geboren und aufgewachsen im Südtirol, schloss 1992 sein Studium der Literatur und Philosophie in Wien ab. Seit 2011 ist er Professor für «Sprache und Gestalt» an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel.
Die Sache mit dem Südtirol
Heimat ist in Eggers Werk les- und spürbar: In «Val di Non» etwa durchwandert Egger poetisch die südtiroler Landschaft, benennt jedes Pflänzchen und jeden Stein und denkt sich, ob man sich einen Berg vorstellen kann, zu dem das Tal fehlt.
Über seine Herkunft sagte Oswald Egger in einem Interview mit der WELT: Für ihn sei es eine wichtige Erfahrung, dass ihn die vielen Touristen nicht verstanden hätten und er sich selbst übersetzen, erklären und verstellen musste.
Der mit 50'000 Euro dotierte Büchner-Preis soll am 2. November im Staatstheater Darmstadt verliehen werden.