Immer wieder bekämpften Syrerinnen und Syrer das Regime der Assads. Sie wurden ermordet oder mussten fliehen. Die syrische Literatur erzählt davon. Aber sie feiert auch die Kraft und Schönheit des Landes. Fünf Leseempfehlungen.
1. Luna Al-Mousli: «Eine Träne. Ein Lächeln»
In ihrem Text-Bild-Jugendroman hält die Autorin und Grafikdesignerin Luna Al-Mousli Erinnerungen an Syrien fest. In blitzschnellen Wechseln vermengt sie Privates mit Politischem, Schönes mit Schrecklichem.
Das zweisprachige Buch, geschrieben auf Deutsch und Arabisch, bringt Texte und Bilder ins Fliessen. Es kreist immer wieder um den Zauber des Alltags – so anstrengend es in der Diktatur war, ihn festzuhalten. Sehr empfehlenswert auch für Erwachsene, wurde «Eine Träne. Ein Lächeln» mit dem Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis 2017 ausgezeichnet.
2. Shukri Al Rayyan: «Nacht in Damaskus»
In seinem ersten ins Deutsche übersetzen Roman erzählt Shukri Al Rayyan von einem ganz gewöhnlichen jungen Paar. Dschawad und Lamis lernen sich kurz vor Ausbruch der Revolution 2011 bei der Arbeit kennen.
Als ihr Chef, ein dubioser Geschäftsmann, stirbt, nimmt Dschawad eine Geldtasche aus dem Büro des Toten an sich. Damit geraten die Frischverliebten in den Fokus von Polizei und Geheimdienst. In einem atemberaubenden Thriller zeigt Shukri Al Rayyan, wie Korruption, Willkür, Angst und Verrat das Leben der Menschen in Damaskus vergiften.
3. Khaled Khalifa: «Der Tod ist ein mühseliges Geschäft»
Ein Roman wie ein Roadmovie: Drei Geschwister wollen dem letzten Wunsch ihres Vaters nachkommen und seinen Leichnam von Damaskus in sein Heimatdorf bringen. Doch Syrien ist von Strassensperren durchsetzt.
An einem Checkpoint verlangen Islamisten eine Religionsprüfung, an einem anderen verhaftet die Armee die Leiche, weil sich der Name des Vaters auf einer Liste gesuchter Personen befindet… Ein Albtraum, den Khaled Khalifa unvergleichlich skurril erzählt. Tiefe Melancholie paart sich mit beissendem Witz und der messerscharfen Analyse eines zerrissenen Landes.
4. Samar Yazbek: «Wo der Wind wohnt»
In den ersten Jahren des Bürgerkriegs nach der gescheiterten Revolution von 2011 liegt ein 19-jähriger Soldat allein auf einer Bergkuppe. Seine Patrouille wurde bombardiert. Er schwebt zwischen Leben und Tod. Vergangenheit und Gegenwart, Traum und Realität verschwimmen.
Anders als sein Bruder wollte Ali nie Soldat werden. Krieg ist ihm fremd. Wie im Brennglas zeigt Samar Yazbek die Militarisierung und Entmenschlichung der syrischen Gesellschaft. Sie zeigt in berückenden Bildern, worin Ali noch im Sterben Kraft findet: in der Schönheit der Welt und der Natur.
5. Lutz Jäkel: «Syrien. Ein Land ohne Krieg»
Der Foto- und Videojournalist, Islamwissenschaftler und Historiker Lutz Jäkel hat in Damaskus studiert. Sein Buch feiert den kulturellen und menschlichen Reichtum Syriens. In 200 Fotos, die vor dem Bürgerkrieg von 2011 entstanden, zeigt Jäkel einen syrischen Alltag jenseits von Willkür und Diktatur.
Die fotografischen Erinnerungen an ein «Land ohne Krieg» verbinden sich mit Erinnerungen syrischer, deutsch-syrischer und deutscher Autorinnen und Autoren. Das Resultat: Ein vielstimmiges und vielschichtiges Manifest für den Frieden.