Das syrische Staatsfernsehen liegt am Umayyaden-Platz von Damaskus, unweit der Oper und des Verteidigungsministeriums. Obwohl der Betrieb in den Wirren seit dem Sturz des syrischen Regimes noch nicht wieder läuft, sind an diesem Vormittag einige Angestellte erschienen – so auch Kulturredaktor Osama Yaziji.
Der Mitfünfziger mit grauem Vollbart arbeitet seit 30 Jahren hier: «Ich liebe das Fernsehen, es hat mir eine Tür zur Welt geöffnet», sagt er. Einfach war das nicht unter einem totalitären Regime. Man sei ständig überwacht worden, selbst wenn man, wie er, sich von politischen Themen ferngehalten habe. Er habe wie viele hier all die Jahre geschwiegen, um zu überleben. «Ihr habt die Bilder aus den Gefängnissen gesehen», bemerkt er.
Es war ein Moment des Schicksals. Ich dachte, entweder sterbe ich hier oder ich werde leben.
Am Tag vor dem Sturz des Regimes beschloss Yaziji spontan, im Studio zu übernachten. Zu dem Zeitpunkt hatten die Rebellen bereits die Vororte von Damaskus erreicht: «Es war ein Moment des Schicksals, ich dachte, entweder sterbe ich hier, oder ich werde leben», sagt Yaziji.
In den frühen Morgenstunden betraten Aufständische aus dem Süden Syriens das Rundfunkgebäude. Sie hatten Damaskus als erste erreicht – noch vor den Islamisten der HTS, die vom Norden vorrückten.
Die Übernahme von Damaskus
Jahrelang hatten die Rebellen verzweifelt um Strassenabschnitte gekämpft, das Regime bombardierte sie und hungerte sie aus. Im Süden hatten sich die Rebellen ergeben, horteten jedoch heimlich Waffen. Bis zu jenem Moment, als Assad die ausländischen Verbündeten wie auch die eigenen Soldaten davonliefen. Und dann nahmen sie Damaskus praktisch ohne Blutvergiessen ein.
Als sie die Hauptstadt erreichten, begannen sie, zentrale Institutionen unter ihre Kontrolle zu bringen, auch das Fernsehen. Kulturredaktor Yaziji hatte Angst, sie würden ihn töten. Aber der erste Bewaffnete, der ihm gegenüberstand, habe ihn geküsst, so Yaziji. Im Gespräch habe er zu verstehen begonnen, dass diese Männer Waffen trügen, um ihre Würde zu verteidigen. Und so habe er ihnen geholfen, sie sogar dazu gedrängt, die Erklärung am staatlichen Sender zu verkünden.
Ganz vorn dabei in historischer Stunde
Auf einem Handy-Video zeigt er die Szene hinter der Live-Schaltung: Die Fernsehangestellten lachen ungläubig, während die Erklärung verlesen wird: «Damaskus wurde befreit, der Tyrann wurde gestürzt.» Die Männer vor der Kamera sind sportlich gekleidet, sie tragen weder Uniformen noch Gewehre.
Der Rebell Wassim al-Khatib stand zu dem Zeitpunkt neben dem Fernsehsprecher. Eine Woche später schildert der 30-Jährige den Moment in einem Café in Damaskus. Seine Augen beginnen zu leuchten, als er sich erinnert: Eine spontane Zusammenarbeit mit den Angestellten sei das gewesen, meint er – sozusagen eine Revolution aus dem Volk, wie es die Protestbewegung 2011 gefordert habe. Bevor das Land in einen Bürger- und Stellvertreterkrieg versank.
Niemand weiss, wie es jetzt weitergeht. Aber in diesem kurzen Moment haben einfache Leute im Fernsehstudio von Damaskus Geschichte geschrieben.