Vor knapp einem Jahr wurde bekannt gegeben, dass Nemo die Schweiz am Eurovision Song Contest in Malmö vertritt. Schnell wurde die Hymne «The Code» mit dem bunten Stilmix und pompöser Aufmachung zum Publikumsmagnet.
Am verheissungsvollen Abend des ESC brillierte Nemo mit dynamischer Bühnenpräsenz, sicherem Gesang in allen Lagen. Die Schweiz fieberte mit. Europa stimmte ab. Und als Nemo die brüchige Trophäe in den Händen hielt, schien der Weg zu einer internationalen Popkarriere geebnet. Ein Steilstart.
Nemo auf der Suche
Dass die plötzliche internationale Bekanntheit viele Fragen aufwirft und Druck erzeugt, dieses Momentum zu nutzen, ist unvermeidbar. Was folgt auf eine Hymne wie «The Code»? In welchem Musikmarkt will man Wurzeln schlagen und mit wem arbeitet man zusammen?
Nun ist bekannt geworden, dass Nemos Vertrag mit dem Zürcher Management Capitano per Ende 2024 ausgelaufen ist, auch die angekündigte Europatour ab März wurde in den Herbst verschoben. Nemos musikalische Begleitung für diese Tour wechselten ebenfalls komplett.
Eine einzelne Single erschien bis jetzt, die mässige Erfolge feierte: «Eurostar». Nemo scheint sich umzuorientieren und schreibt auf Instagram: «Ich hatte letztes Jahr eine sehr wichtige persönliche Erkenntnis: Grosse Dinge brauchen Zeit. Und wenn ich es nicht zu meiner Priorität mache, mir genug Zeit für neue Musik zu nehmen, wird sie keine Chance haben, grossartig zu werden.»
Im «Eurostar» nach London
Einer der Gründe, weswegen Nemo ein neues Management sucht, ist wahrscheinlich, dass Nemo von London aus künstlerisch tätig sein wird. Diese Entscheidung überrascht allerdings wenig: Schon die Single «Eurostar» vergangenen Oktober kündigte das zwischen den Zeilen an.
Die neue Wahlheimat scheint Nemo mit offenen Armen zu empfangen. Nemo wurde in London zur «Person of the Year 2024» des Attitude Magazins gekürt und auch für King Charles performte der Popstar bereits.
Im November stand Nemo an der Royal Variety Performance in der Royal Albert Hall auf der Bühne. An der London Fashion Week performte Nemo «The Code» in einem aufblasbaren Kleid des indischen Mode-Designer Harri KS.
Zu viel Presse, zu wenig Musik
«Im Wirbelwind der Post-Eurovision hatte ich letztes Jahr nur etwa drei Wochen Zeit, um neue Songs zu schreiben und zu produzieren, was bei weitem nicht ausreicht, um das Album zu machen, von dem ich träume», schreibt Nemo unter dem Post, in dem auch angekündigt wurde, dass die Europatour verschoben wird.
Vielleicht ist die Kehrseite eines ESC-Sieges, vor lauter Pressearbeit kaum mehr Musik produzieren zu können? Andere Publikumsfavoriten des Eurovision Song Contest letzten Jahres wie Baby Lasagna aus Kroatien oder Angelina Mango aus Italien hatten einen viel grösseren Output als Nemo.
Dass Kunstschaffende sich manchmal mehrere Jahre Zeit nehmen, um ein neues Album zu produzieren, ist nichts Neues. Allerdings sind die Karrieren eventuell schon etwas gefestigter, um eine solche Durststrecke zu überwältigen.
Dass sich Nemo Zeit nimmt, spricht dafür, wie ernst Nemo das künstlerische Schaffen ist. Momentan verschanzt sich das Schweizer Musiktalent im Studio und nimmt keine Interviewtermine an. Möglicherweise kommt das Album gerade rechtzeitig, um eine zweite Welle der Bekanntheit mit dem ESC in Basel zu reiten.