Der Ausweis für alle Bewohnerinnen und Bewohner von Zürich soll auch den geschätzten 10'000 «Sans-Papiers» ausgestellt werden – den Menschen ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung.
Für den Zürcher FDP-Gemeinderat Andreas Egli ist klar: «Diese City Card legalisiert den Aufenthalt von Sans-Papiers auf keine Art und Weise. Sie kostet 3.2 Millionen Franken und ist letztlich nichts mehr als eine ‘poplige’ Membercard eines Clubs. Das braucht die Stadt Zürich nicht.»
Die FDP und die SVP sind dagegen, die SP und die Grünen dafür, die Grünliberalen haben Stimmfreigabe beschlossen. GLP-Gemeinderätin Sandra Bienek engagiert sich im Ja-Komitee. Sie ist überzeugt: «Den Sans-Papiers bringt das sehr viel. Vieles, was für uns ganz selbstverständlich ist: Man kann die Post abholen, das Kind bei der Kita anmelden oder auch – wenn man Schutz braucht – bei der Polizei Hilfe holen.» Heute könnten Sans-Papiers dies nicht, sagt Bienek. «Weil sie immer Angst haben müssen, dass ihnen eine unangenehme Situation droht.»
Sans-Papiers Olivia: «Ein Leben voller Adrenalin und Stress»
Olivia (Name geändert) ist Mutter von zwei Kindern und lebt seit rund vier Jahren in Zürich – illegal. Sie stammt aus Südamerika und hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Olivia hat eine Wohnung, ihre Kinder gehen zur Schule, auch die Krankenkasse bezahlt sie. Trotzdem lebe sie, wie sie sagt, «ein Leben voller Adrenalin und Stress». Kaum gehe sie aus dem Haus, sei sie in ständiger Angst. Hört sie irgendwo eine Sirene, zuckt sie zusammen.
Sie rechnet stets damit, dass sie verhaftet werden kann – wenn sie in eine Polizeikontrolle kommt und sich nicht ausweisen kann. Für diesen Fall hat sie vorgesorgt: «Neben meiner Haustür liegt immer ein Zettel mit einer Telefonnummer. Die Kinder wissen, dass sie dort anrufen müssen, wenn ich nach 21 Uhr am Abend noch nicht zu Hause bin.»
Rechtsgutachten gibt grünes Licht für «Zürich City Card»
Die Gegnerinnen und Gegner einer «Züri City Card» sagen, ein solcher städtischer Ausweis sei rechtswidrig. Ein Rechtsgutachten durch die Universität Zürich im Auftrag der Stadt Zürich kommt jedoch zum Schluss, dass die Stadt berechtigt ist, einen solchen Ausweis, der Identität und Wohnort einer Person amtlich bestätigt, auszustellen und auch an Sans-Papiers abzugeben.
Aber so ein Stadtausweis verhindere nicht, dass bei einer Personenkontrolle durch die Polizei allenfalls der Aufenthaltsstatus einer Person abgefragt werde – und dass eine illegal anwesende Person auffliege.
Stadt will die «Züri City Card» – dämpft aber die Erwartungen
Die Idee eines solchen städtischen Ausweises wurde bereits 2018 vom Stadtzürcher Parlament gutgeheissen. Die FDP und die SVP waren dagegen – und haben das Referendum ergriffen.
Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) schreibt deshalb: «Die 'Züri City-Card' kann nicht die Voraussetzungen schaffen, damit Sans-Papiers sich angstfrei in der Stadt bewegen können und einen verbesserten Zugang zu Recht und Justiz erhalten.» Und: «Der Nutzen für Sans-Papiers bleibt sehr eingeschränkt und kann die mit ihr verbundenen Erwartungen nicht oder nur teilweise erfüllen.»
Sans-Papiers: Trotzdem grosse Hoffnungen
Olivia erhofft sich trotzdem viel von einer «Züri City Card». «Mir ist klar, dass diese Karte an meiner Aufenthaltsbewilligung nicht viel ändert. Aber es wäre eine Karte, die meine Identität bestätigt und die ich auch für kleine Sachen benutzen kann, zum Beispiel mit meinen Kindern ins Schwimmbad. Das traue ich mich jetzt nicht, weil ich mich nicht ausweisen kann, wenn ich es müsste.» Dank eines Ausweises hätte sie «offiziell einen Namen und ich könnte auch etwas beruhigter unterwegs sein. Ich könnte mich identifizieren. Es wäre etwas Anerkennung».