«Frontex tötet Menschen», sagte Saeed Farkhondeh, Mitglied des Referendumskomitees gegen den Ausbau der Europäischen Agentur für Grenz- und Küstenwache, in der «Arena» am Freitagabend. Gemeint sind damit die illegalen, oftmals gewaltvollen Zurückweisungen von Geflüchteten an den Aussengrenzen Europas, etwa in der Ägäis oder auf dem Balkan. Der EU-Grenzagentur wird vorgeworfen, diese sogenannten Pushbacks der nationalen Behörden in Kauf genommen zu haben.
In der Sendung diskutierten die Gäste emotional über die Vorlage, über die am 15. Mai das Stimmvolk entscheidet.
Die Befürworter in der «Arena» befürchten einen Ausschluss aus Schengen/Dublin und damit noch prekärere Zustände an den Grenzen, die Gegnerinnen appellieren ans Gewissen, «einer gewaltausübenden Agentur» nicht noch mehr Geld zuzuspielen, und fordern, die Übernahme der EU-Verordnung nochmals zu überdenken.
Die Schweiz beteiligt sich seit 2011 an Frontex. Seit Jahren behandle die Grenz- und Küstenwache Menschen wie Objekte, sagte Farkhondeh. Er habe selbst sechs Jahre seines Lebens in einem Rückkehrzentrum in der Schweiz verbracht. Das zusätzliche Geld, mit dem die Schweiz nun zum Ausbau der Agentur beitragen will, würde besser in Rettungsboote, Spitäler, Ärzte investiert: «Wir müssen eine bessere Lösung finden, damit die Menschen sicher nach Europa kommen und nicht mit Gewalt zurückgeschickt werden.»
Frontex ist keine Verhinderungsorganisation, sondern eine Organisation, die Ordnung schafft.
Bundesrat Ueli Maurer räumte ein, dass die Grenzschutzagentur Fehler gemacht habe. Doch er sagte auch: «Das System funktioniert.» Der Rücktritt des Frontex-Direktors Fabrice Leggeri am Freitag zeige gerade, dass die Organisation handlungsfähig sei. «Die Konsequenzen wurden gezogen.»
SP fordert andere innenpolitische Umsetzung
Maurer stellt sich auf den Standpunkt, mehr Geld für Frontex bedeute weniger Gewalt: «Frontex ist keine Verhinderungsorganisation, sondern eine Organisation, die Ordnung an den Grenzen schafft.» Mit dem Ausbau würden mehr Ressourcen geschaffen und mehr Grundrechtsbeauftragte eingesetzt, damit man die Menschen auch korrekt behandle.
Maurer betonte, die Vorlage sei im Sinne der Rechtssicherheit der Schweiz, aber auch zum Schutz der Geflüchteten an den Grenzen.
Wir sind unzufrieden, wie das Parlament die EU-Verordnung umgesetzt hat.
Geld allein reiche nicht, um die Lage zu verbessern, stellte SP-Nationalrätin Min Li Marti fest: «Frontex ist leider zu einem Instrument der Abwehr geworden, das die Menschenrechte systematisch verletzt und versucht, das zu vertuschen.» Die SP sei nicht für den Ausstieg aus Schengen und lehne Frontex grundsätzlich nicht ab.
«Wir sind unzufrieden, wie das Parlament die EU-Verordnung umgesetzt hat», sagte Marti. Es gebe innenpolitisch durchaus Spielraum. Das Parlament müsse nachbessern. Das sei möglich, denn das Schengen/Dublin-Abkommen falle nach einem Nein nicht einfach weg. Es blieben 90 Tage Zeit, sich mit dem Gemischten Ausschuss der EU einig zu werden.
Zerrüttete Beziehungen zur EU
Das sei eine «fundamentale Fehleinschätzung der Europapolitik», wandte GLP-Nationalrätin Tiana Angelina Moser ein. Die Beziehung Schweiz-EU sei nach dem Abbruch der Verhandlungen zum Rahmenabkommen zerrüttet. Bei einem Nein zur Frontex-Vorlage stehe das Land «einmal mehr als Profiteur von Europa» da, ohne selbst etwas zu leisten.
Das Schengen/Dublin-Abkommen dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden. Bewegungsfreiheit im Schengenraum bedeute auch, dass man die Aussengrenzen sichern müsse: «Wie alle anderen Länder sollten wir hier Verantwortung übernehmen und anteilsmässig einen Beitrag leisten.»