Endlich, werden sich viele Abgeordnete im EU-Parlament sagen. Endlich tritt der umstrittene Direktor von Frontex zurück. Die Kritik an Fabrice Leggeri ist alt: Er sei auf einem Auge fast blind, nämlich auf jenem Auge, das selbstkritisch die eigene Arbeit reflektieren sollte. Leggeri, berichten viele Insider, habe beim Um- und Ausbau von Frontex nur eines im Blick: Uniformen, Waffen, neue Schiffe, Helikopter und Drohnen.
Die Etablierung von internen Kontrollen und eine kritische Begleitung der nachweislich komplexen Arbeit der Frontex-Mitarbeitenden hat er sträflich vernachlässigt. Das Gesetz schreibt dem Direktor vor, Strukturen innerhalb der Frontex-Organisation zu schaffen, die überwachen, ob im Alltag die von der EU garantierten Grundrechte eingehalten werden. Leggeri nahm sich verstörend lange Zeit, diesen Auftrag mit minimalem Aufwand zu erfüllen.
Verstösse sind eindeutig belegt
Eines dieser EU-Grundrechte für Asylsuchende ist es, an der EU-Aussengrenze ein Gesuch zur Aufnahme stellen zu können. Darum wiegt der Vorwurf von Hilfsorganisationen so schwer, dass Mitarbeitende unter Frontex-Kommando daran beteiligt seien, Schutzsuchende an den EU-Aussengrenzen abzuweisen.
Dies ist bestens dokumentiert. Frontex-Schiffe provozieren Bugwellen, die Gummiboote zurück in nicht-EU-Gewässer treiben. Frontex-Mitarbeitende füllen unvollständige Rapporte aus, oder schauen im besten Fall weg, wenn nationale Grenzschützer Menschen misshandeln.
Wenn das nun offenbar auch seriöse Untersuchungen durch die unabhängige Anti-Korruptionsbehörde der EU bestätigen, ist es nichts als konsequent, dass der Frontex-Direktor seinen Rücktritt einreicht.
Keine unabhängige Untersuchung
Allerdings: Das gleiche Gremium, das nun Leggeris Rücktritt anzunehmen hat – der Frontex-Verwaltungsrat –, hat dessen Agentur vor wenigen Monaten weissgewaschen. Der Verwaltungsrat, dem auch Vertreter des Schweizer Grenzschutzes angehören, untersuchte die Vorwürfe über illegale Rückweisungen. Frontex habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Auch Leggeri nicht. Logisch. Die Untersuchung war nicht unabhängig.
Bei Frontex bleiben solche strukturellen Probleme fest verankert, trotz des Rücktritts des Direktors. Sie haben ihren Ursprung in einem grundsätzlichen Zielkonflikt: Frontex teilt sich den Schutz der EU-Aussengrenzen mit nationalen Grenzschutzbehörden. Diese haben 27 verschiedene Arbeitskulturen und Grenzschutzstrategien. Die Interessen können – aus Sicht der Schutzsuchenden – dramatisch divergieren.
Darum wären eindeutige asylpolitische Vorgaben aller EU-Staaten dringend nötig. Das wäre die Voraussetzung für eine unparteiische Arbeit von Frontex. Nur: Diese Vorgaben gibt es nicht. Die EU-Asylpolitik steckt seit Jahren in der Sackgasse. Also bleiben die strukturellen Probleme von Frontex bestehen.
Etwas kleiner werden die Probleme beim Management von Frontex, falls auf Leggeri eine sachverständige Person folgt, die nicht auf einem Auge blind ist. Wunder darf aber niemand erwarten.