Bis vor wenigen Wochen war unklar, ob die Vorlage zur Finanzierung der Europäischen Grenz- und Küstenwache Frontex von einer unheiligen Allianz von links und rechts gekippt werden würde.
Daran gemessen ist die Zustimmung jetzt extrem hoch: 69 Prozent sagen gemäss der zweiten SRG-Umfrage Ja oder eher Ja.
SVP-Basis folgt Ja-Parole grossmehrheitlich
Der SVP kommt hier eine besondere Rolle zu. Während sich im Parlament die Hälfte der SVP-Nationalrätinnen und -Nationalräte enthielt und rund ein Viertel die Zusatzfinanzierung der Frontex ablehnte, sprach sich an der Delegiertenversammlung im April eine klare Mehrheit für eine Ja-Parole aus. Nun zeigt sich, dass die SVP-Basis das Ja grossmehrheitlich mitträgt.
Die SVP ist aber nicht die einzige Partei, die bei diesem Thema an ihrer Basis vorbeipolitisiert hat. SP und Grüne lehnten die Finanzierung der Frontex im Parlament geschlossen ab. Bereits bei der ersten Umfrage des Forschungsinstitutes GFS Bern im Auftrag der SRG SSR waren die Anhängerinnen und Anhänger beider Parteien mehrheitlich anderer Meinung. Das hätte – mindestens teilweise – damit erklärt werden können, dass das Referendum von einer zivilgesellschaftlichen Bewegung lanciert worden war und nicht von den linken Parteien selbst. Nur: Die Überzeugungsarbeit, die SP und Grüne seither geleistet haben, blieb praktisch erfolglos. Noch immer wollen nur knapp 40 Prozent ihrer Basis Nein stimmen.
Kritik an Menschenrechtsverletzungen ging unter
Nachdem die unheilige Allianz mit der SVP weggefallen ist, hätte die Linke eigentlich versuchen müssen, Mitte-Wählerinnen und -Wähler abzuholen. Stattdessen wirkte es, als sei die Argumentation im Abstimmungskampf stark am linken Pol ausgerichtet.
Die Kritik an Menschenrechtsverletzungen der Grenzschutzagentur wurde über weite Strecken von einer Grundsatzkritik an Grenzen dominiert. Das überzeugt bei Linksgrün offensichtlich keine Mehrheit. Insbesondere, wenn ein möglicher Ausschluss aus Schengen-Dublin in der Waagschale liegt. Für viele Anhängerinnen von SP und Grünen dürfte der Zusammenhalt mit Europa seit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine noch wichtiger geworden sein.
Wegen Ukraine-Krieg wird Sicherheit hochgehalten
Gleichzeitig gewann das Sicherheitsargument an Bedeutung. Das zeigt auch die zweite GFS-Umfrage: Das Argument, dass ein starker Schutz der Aussengrenzen die Schweiz vor illegaler Migration und Kriminalität schütze, hat mehr Menschen überzeugt als bei der ersten Umfrage. Bei so manchem SVP-Anhänger dürfte dies wohl den Reiz übertrumpft haben, mit einem Nein zur Finanzierung der Frontex ein Zeichen gegen die EU zu setzen.
Der Ukraine-Krieg hat die Prioritäten vieler Stimmbürgerinnen und Stimmbürger verändert. Das Frontex-Referendum ist nur ein erster Gradmesser dafür. Ein Gradmesser, der zeigt, wie wichtig es für die Parteien ist, ihre Positionen in der Sicherheitspolitik jetzt neu zu diskutieren.