Eine klare Mehrheit von 79 Prozent sagt also Ja zur OECD-Mindeststeuer. Eine Überraschung ist dieses Ja nicht, höchstens in seiner Deutlichkeit. Denn selbst die linken Hauptgegner der Vorlage sind eigentlich für diese Mindeststeuer. Das klingt paradox und war genau darum schwer vermittelbar.
SP, Gewerkschaftsbund und Nichtregierungsorganisationen kämpften nicht gegen die Mindeststeuer an sich, sondern gegen deren Umsetzung. Sie kritisierten vor allem, die Verteilung der erwarteten Mehreinnahmen unter den Kantonen sei ungerecht, weil einzelne wenige Kantone übermässig profitierten. Wer aber ein Nein, das gleichzeitig ein Ja ist, verkaufen muss, kämpft allein schon damit, diesen Spagat der eigenen Basis zu erklären.
Kein Abstimmungskampf, der den Namen verdiente
War ein Ja also von Anfang an beschlossene Sache? Nicht unbedingt. Die wirtschaftliche Konstellation hätte durchaus ein fruchtbarer Boden für die Argumente des Nein-Lagers sein können. Die Stichworte lauten Inflation, steigende Mieten, Krankenkassenprämien. Aber für einen Erfolg hätte die Linke mehr Aufwand betreiben und einen Abstimmungskampf lancieren müssen, der diesen Namen verdient.
Doch die Grünen verabschiedeten sich gleich am Anfang von der Diskussion, indem sie Stimmfreigabe beschlossen und sich lieber auf das Klimaschutz-Gesetz konzentrierten. Und selbst in der SP war die Nein-Parole umstritten. Der Parteivorstand hatte sich ursprünglich für Stimmfreigabe ausgesprochen. Konsequenz: kaum Inserate und am Ende eine logische Niederlage.
Das Ja-Lager hatte es kommunikativ wesentlich einfacher und setzte ungleich mehr Mittel ein. Das Hauptargument war, nur mit einem Ja bleibe das Geld in der Schweiz. Wenn die Schweiz bei der OECD-Mindeststeuer nicht mitmache, fliesse ein Teil der Unternehmenssteuern ins Ausland. Und das nicht etwa in den globalen Süden, sondern in ähnlich reiche Länder wie die Schweiz. Weil die öffentliche Debatte nur auf Sparflamme geführt wurde, ging allerdings unter, dass dieses Argument an der Diskussion vorbeiführt. Die linke Hauptgegnerschaft will ja auch, dass die Schweiz bei der OECD-Mindeststeuer mitmacht, einfach nicht so, wie es das Parlament beschlossen hat.
Nach dem Diskurs ist vor dem Diskurs
Zu beobachten bleibt jetzt, wie genau die Kantone – insbesondere Zug, Basel-Stadt und Zürich – die Mehreinnahmen einsetzen, falls sie denn überhaupt wie erwartet fliessen werden. Auf dem Prüfstand stehen entsprechende Aussagen von Ja- und Nein-Lager vor der Abstimmung: Nicht nur die Unternehmen, auch die breite Bevölkerung werde vom Geld profitieren (Ja-Seite); der Finanzausgleich funktioniere ungenügend, die übrigen Kantone würden kaum profitieren vom OECD-Steuersegen (Nein-Seite).
Je nach Entwicklung wird das Parlament korrigieren müssen. Mit dem Thema noch einmal befassen muss es sich sowieso. Innerhalb von sechs Jahren muss es das, was jetzt erst in einer Verordnung geregelt ist, im Gesetz regeln.