In zwei kantonalen Abstimmungen stand die Erweiterung des Stimmrechts an. Im Kanton Uri sollten auch 16- und 17-Jährige das Stimm- und Wahlrecht erhalten, im Kanton Solothurn Ausländerinnen und Ausländer mit Niederlassungsbewilligung. Beide Begehren wurden abgelehnt. Lukas Golder von Institut GFS Bern erklärt, warum.
SRF News: In Uri dürfen 16-Jährige weiterhin nicht an die Urne. Was hat den Ausschlag gegeben?
Lukas Goldner: Der Widerstand kam nur noch von der SVP. Man ging davon aus, dass sich die Meinungen etwas verschoben hätten gegenüber früher, als die Vorlage schon mal abgelehnt wurde. Doch die Urner Bevölkerung sagte ganz klar Nein.
Auch der Schritt von 20 Jahren auf 18 Jahre, wie es heute für die Stimmberechtigten gilt, war ein langer, mühseliger Weg.
Die Diskussion ums Stimmrechtsalter 16 ist auf nationaler Ebene angekommen. Glarus hat es als erster Kanton bereits eingeführt. Was sagt nun das Resultat aus Uri aus?
Ich denke, dass es gerade bei gesellschaftspolitischen Fragen grundsätzlich eher eine konservative Haltung gibt, nicht nur im Kanton Uri. Auch sonst ist die Bevölkerung eher zurückhaltend, wenn es um die gesetzliche Öffnung gegenüber neuen Gruppen geht. Der Schritt von 20 Jahren auf 18 Jahre, wie es heute für die Stimmberechtigten gilt, war ein langer, mühseliger Weg. Man kann auch auf das Frauenstimmrecht verweisen, das im internationalen Vergleich extrem spät eingeführt wurde.
Würde sich mit Stimmrechtsalter 16 in der Schweiz überhaupt etwas ändern, was die Entscheidungen angeht?
Ich sage doppelt Nein. Zunächst ist die Zahl der 16- und 17-Jährigen gar nicht so gross. Zum Anderen darf man nicht davon ausgehen, dass die Jugend grundsätzlich politisch komplett anders tickt als die Älteren. Sie haben vielleicht andere Prioritäten, und da gehört das Klima ganz eindeutig dazu. Aber auf dem Land gibt es viele konservative Jugendliche.
In Solothurn ging es um die Erweiterung des Stimm- und Wahlrechts für Ausländerinnen und Ausländer mit Niederlassungsbewilligung. Was stand da zur Diskussion?
Es stand ein wichtiger Schritt zur Abstimmung. Den braucht es in der Verfassung, um überhaupt die Möglichkeit zu erlangen, in den Gemeinden und Städten das Wahl- und Stimmrecht für Ausländerinnen und Ausländer zu etablieren. Dieser Schritt wurde teilweise auch schon in der Verfassung in anderen Kantonen verhindert. Diese Öffnung ist noch viel weiter weg, als das Stimmrecht für Jugendliche, gerade in der deutschsprachigen Schweiz.
In der Westschweiz wurde die Diskussion früher geführt und es ist vielleicht auch die Sicht einer Minderheit.
Es gibt Kantone, die Ausländerinnen und Ausländern das Stimm- und Wahlrecht auf Gemeindeebene gewähren, vor allem in der Westschweiz. Was ist dort anders?
Die Diskussion wurde früher geführt und es ist vielleicht auch die Sicht einer Minderheit. Die Französischsprachigen sind in der Schweiz oft in der Minderheit. Es gibt ein Bewusstsein, dass eben das Mitbestimmen, auch wenn man eine kleinere Kraft ist, sehr wichtig ist. Spannend ist, dass die Erfahrungen schnell sehr gut sind. Man kann es natürlich anders sehen, dass auch das Recht auf Einbürgerung viel schneller eingefordert wird. In der deutschsprachigen Schweiz ist das Recht, Schweizerin und Schweizer zu sein, ein Privileg, das wissen wir.
Wenn man die Haltung hat, dass man sich dieses Recht quasi erstreiten soll, steckt da eine Verteidigungsposition dahinter: Die Schweiz gehört den Schweizerinnen und Schweizern?
Ja, das ist eine Identitätsfrage, vor allem in der deutschsprachigen Schweiz. Deshalb ist es auch recht schwer und auch teuer, das Schweizer Bürgerrecht zu erlangen. Das ist Teil des nationalen Selbstverständnisses. Deshalb ist der Weg dazu lang.
Das Gespräch führte Isabelle Maissen.