Diesen Auftritt hatte Bundesrätin Karin Keller-Sutter schon einmal: Vor der Coronakrise hat sie den Abstimmungskampf gegen die Begrenzungsinitiative der SVP ein erstes Mal lanciert. Nachdem die Abstimmung auf den 27. September verschoben worden ist, hat sie nun einen zweiten Anlauf genommen.
Die Coronakrise hat die Schweiz durchgeschüttelt, die Arbeitslosigkeit nimmt zu, viele Unternehmen kämpfen um ihre Existenz: So stellte die Bundesrätin Karin Keller-Sutter nach den Corona-Lockerungsschritten die Begrenzungsinitiative ganz klar in diesen Kontext.
Wenn man diese Krise verschärfen will, dann kappen wir den Marktzugang unserer Unternehmen zum EU-Binnenmarkt.
«Teil der Normalität ist es, dass der Bundesrat unser Land auch wirtschaftlich aus der Krise führt. Das kann nur gelingen, wenn wir die Beziehungen zu unserem wichtigsten Handelspartner nicht aufs Spiel setzen», sagte die Bundesrätin.
Keine Experimente also in Zeiten der Krise, oder mit anderen Worten: «Wenn man diese Krise verschärfen will, dann kappen wir den Marktzugang unserer Unternehmen zum EU-Binnenmarkt. Fünfzig Prozent unserer Exporte gehen in die EU!» Dieser ungehinderte Zugang stünde auf dem Spiel, weil bei einem Ja – mit der sogenannten Guillotine-Klausel – auch die anderen sechs Abkommen der Bilateralen 1 wegfallen würden.
Sozialpartner vereint gegen Initiative
Deshalb betonte der Präsident des Arbeitgeberverbandes, Valentin Vogt: In der Wirtschaft seien sich alle einig, egal ob Klein- oder Grossunternehmen, Dienstleistung, Industrie oder Gewerbe: «Eine Kündigung der Bilateralen und ein zerrüttetes Verhältnis zu unserem wichtigsten Handelspartner, wäre das Verantwortungsloseste, was wir jetzt tun können.»
Der Präsident des Gewerkschaftsdachverbandes Travailsuisse, Adrian Wüthrich, rechnete vor, was das bedeuten würde: Bei einem Wegfall der bilateralen Verträge müsse die Schweiz damit rechnen, dass der konjunkturelle Abschwung in eine strukturelle Krise übergehen würde: «Dann stünde der Schweiz eine länger andauernde Phase hoher Arbeitslosigkeit bevor.»
Die seit 13 Jahren andauernde Personenfreizügigkeit ist das grosse Experiment.
Doch die SVP lässt sich ob dieser geballten Gegnerschaft nicht beeindrucken. So betont deren Fraktionschef Thomas Aeschi, dass die seit dreizehn Jahren andauernde Personenfreizügigkeit «das grosse Experiment» sei: «Eine Million Menschen sind in die Schweiz gekommen. Wir kämpfen jetzt mit den Problemen dieser Zuwanderung: einer stark steigende Arbeitslosigkeit und zu wenig Platz in unserem Land.» Dieses Experiment gelte es zu beenden, fordert Aeschi: «Diese Unsicherheit muss weg.»
SVP ohne mächtige Alliierte
Vor allem die Gewerkschaften sehen in der Initiative jedoch mehr als einen Angriff auf den bilateralen Weg. Wie Pierre-Yves Maillard, Präsident des Gewerkschaftsbundes, ausführte, ziele die SVP mit ihrer Initiative auch direkt auf die flankierenden Massnahmen zum Schutz der Löhne: Mit dem Wegfall der Personenfreizügigkeit falle die rechtliche Grundlage der flankierenden Massnahmen weg.
Doch auch hier widerspricht SVP-Fraktionschef Aeschi: «Die flankierenden Massnahmen sind in Schweizer Gesetzen geregelt und wurden von Mehrheiten beider Räte beschlossen. Dieses Argument ist schlicht aus der Luft gegriffen.»
Doch haben auch schon Wirtschaftsvertreter argumentiert, wie etwa der an der heutigen Medienkonferenz ebenfalls anwesende Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler, dass mit dem Wegfall der Personenfreizügigkeit der Druck auf die flankierenden Massnahmen zunehmen dürfte.