- Die sogenannte Begrenzungsinitiative der SVP hat einen schweren Stand. Das zeigt eine Umfrage im Auftrag der SRG.
- 61 Prozent wollen am 27. September gegen die Initiative stimmen, 35 Prozent sind dafür.
- Ausserhalb der SVP-Stammwählerschaft findet die Vorlage kaum Zuspruch – ausser im Grenzgängerkanton Tessin.
Altes Anliegen, neues Umfeld: Wegen des Lockdowns wurde die viel zitierte «Abstimmung des Jahres» vom Frühling in den Herbst verschoben. Am 27. September befindet das Schweizer Stimmvolk nun über die Frage, ob die Personenfreizügigkeit mit der EU aufgekündigt werden soll – dies vor dem Hintergrund einer globalen Rezession im Schlepptau der Coronakrise.
Und offenbar hat die Bevölkerung derzeit wenig Interesse daran, auf Konfrontationskurs mit dem wichtigsten Handelspartner der Schweiz zu gehen. «Was viele suggeriert haben, nämlich dass Corona der SVP helfen könnte, ist bisher nicht zu erkennen», sagt Martina Mousson vom Forschungsinstitut gfs.bern, das die Umfrage im Auftrag der SRG SSR durchgeführt hat.
Das Verdikt der Befragten ist klar: Über 60 Prozent erteilen der Initiative gegen die Personenfreizügigkeit eine Absage. Und das mit Bestimmtheit: «Man entscheidet nicht aus dem Bauch heraus. Es ist ein festes Meinungsbild, das sich kaum bewegt», so Mousson.
Viele Befragte fürchten sich in Coronazeiten vor Wohlstands- und Arbeitsplatzverlust. Angesichts verdüsterter Wirtschaftsprognosen wollen sie das Verhältnis zur EU nicht weiter belasten.
Die Positionen sind bezogen
Auch glauben 60 Prozent der Befragten, dass die Initiative gegen die Personenfreizügigkeit den bilateralen Weg zerstört – ohne eine Alternative zu bieten. «Zudem steht das Migrationsthema nicht mehr so im Fokus wie auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise», erklärt Politologin Mousson.
Die bereits im März hohe Zustimmung bei der SVP-Basis hat sich dagegen weiter verfestigt: 83 Prozent von ihnen unterstützen die parteieigene Initiative. Noch deutlicher ist allerdings die Opposition im links-grünen Lager – und auch die Anhänger von GLP, CVP und FDP lehnen die Initiative klar ab.
Insgesamt stösst die SVP auf ein altbekanntes Problem: Wie schon bei der Selbstbestimmungsinitiative vermag sie kaum ausserhalb der eigenen Stammwählerschaft zu überzeugen. «Für die Kampagne der SVP bleibt wenig Spielraum», sagt Mousson.
Einzig bei regierungskritischen Menschen verfängt das Hauptargument der Initiative: Nämlich, dass die Schweiz die Zuwanderung wieder selbst regeln soll. Dass die EU die übrigen bilateralen Verträge nicht kündigen werde, weil sie mehr davon profitiere als die Schweiz, verwerfen 52 Prozent der Stimmberechtigten.
Deutliches «Non» aus der Romandie
Schliesslich wird das Vorhaben auch in den Sprachregionen unterschiedlich beurteilt. In der französischsprachigen Schweiz wird die SVP-Initiative noch deutlicher abgelehnt als in der Deutschschweiz. Im Grenzgängerkanton Tessin allerdings sind die Mehrheitsverhältnisse ausgeglichen. «Eine Annahme der Initiative stünde dort durchaus in der Abstimmungstradition in Europafragen», so Mousson.
Trotz dem Unmut im Südkanton: Eine Annahme der sogenannten Begrenzungsinitiative ist nach jetzigem Stand das unwahrscheinlichere Szenario. «Offen ist, ob irgendein Ereignis eine Sprengkraft entwickeln könnte, das die Mobilisierung und Mehrheitsverhältnisse verändert», schliesst die Politologin.