Es läuft gut mit der Personenfreizügigkeit – das ist auch rückblickend auf 2019 die Botschaft des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). Ob mehr oder weniger Menschen aus dem EU-Ausland in die Schweiz kämen, habe in erster Linie mit einem Faktor zu tun: Wie viele Arbeitskräfte die Schweizer Wirtschaft brauche. Die EU-Ausländer würden dort einspringen, wo einheimische Fachkräfte fehlten, übernähmen aber auch Niedriglohn-Arbeiten, für welche die Einheimischen nicht zu haben seien.
Darum bilanziert Seco-Chefin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch nach 18 Jahren Personenfreizügigkeit mit den EU- und EFTA-Staaten: «Das Freizügigkeitsabkommen hat einen erheblichen Beitrag zum Wirtschaftswachstum geleistet und so der Schweiz und der Schweizer Bevölkerung zu mehr Wohlstand verholfen.»
Mehr Arbeit, weniger Arbeitslosigkeit
Schaut man auf die Zahlen im Bericht, fallen ein paar Dinge auf, die das positive Bild bestätigen. Insgesamt ist die Erwerbstätigkeit gestiegen, die Arbeitslosigkeit gesunken. Auch die Löhne haben sich nach oben entwickelt, die tiefen etwas mehr als die höheren, bei Schweizern und Ausländern. Und in absoluten Zahlen hat die Zuwanderung noch einmal leicht abgenommen und lag letztes Jahr bei rund 30'000 – bedeutend weniger als zwischen 2011 und 2016, als dieser Wanderungssaldo bis zu 80'000 betrug.
Für die Seco-Chefin steht darum fest, dass die Einheimischen nicht aus dem Arbeitsmarkt verdrängt würden und es Lohndumping zumindest nicht im grossen Stil gebe. Hier griffen die flankierenden Massnahmen gegen Lohndumping und die Stellenmeldepflicht, die Einheimischen bei der Bewerbung einen Vorsprung geben soll. «All dies ermöglicht der Schweiz einerseits, die nötige Flexibilität im Arbeitsmarkt zu wahren und andererseits, die Schweizer Arbeitnehmenden in ausreichendem Masse zu schützen», so Ineichen-Fleisch.
Dass der Bericht drei Monate vor der Abstimmung über die Personenfreizügigkeit veröffentlicht wird, ist Zufall. Dieses Monitoring wird jedes Jahr um diese Zeit präsentiert. Aber Ineichen-Fleisch liess die Gelegenheit nicht verstreichen, auf die Abstimmung Bezug zu nehmen. Ein Ja zur SVP-Initiative würde den Wegfall des gesamten bilateralen Vertragspakets bedeuten. «Damit würden entscheidende Vorteile für die Schweiz aufgegeben. Dessen müssen wir uns alle bewusst sein.»
Bei der SVP dagegen schätzt man die Lage anders ein. Der Bericht schaue zurück, so SVP-Nationalrätin Esther Friedli: «Ganz wichtig scheint mir jetzt aber der Blick nach vorne zu sein, wo die Wirtschaftsaussichten in der Schweiz und ganz speziell in der Europäischen Union überhaupt nicht gut aussehen.»
Seco: Moderate Wirtschaftsmigration wegen Corona
Und das werde dazu führen, dass die Schweiz eine Sogwirkung ausübe. Dass viele Menschen aus europäischen Staaten, wo es der Wirtschaft noch schlechter gehe, zu uns kommen wollten, zum Beispiel aus Spanien: «Das führt dann dazu, dass sich viele Spanierinnen und Spanier in anderen Ländern auf Arbeitssuche machen und dann sicher auch in die Schweiz kommen wollen.» Darum müsse die Schweiz die Zuwanderung wieder selber steuern.
Beim Seco dagegen glaubt man nicht an dieses Szenario. Die Wirtschaftsmigration wegen Corona werde moderat sein, sagt der Bericht voraus.