100 Flüchtlinge hätte die 9000-Einwohner-Gemeinde Wohlen an der Stadtgrenze zu Bern aufnehmen sollen. In einer unterirdischen Zivilschutzanlage beim Schulhaus, mitten in einem Wohnquartier im Ortsteil Hinterkappelen. So wollte es der Kanton. Die Gemeinde ging einen anderen Weg.
Probleme durch Anonymität in Massenunterkünften
100 Personen auf kleinem Raum seien eine gesichtslose Masse, sagt Gemeindepräsident Bänz Müller: «Das führt über kurz oder lang zu Problemen. Vielleicht gar zu Aggressionen untereinander, aber auch mit den Nachbarn. Wir haben von Anfang an gesagt, wenn wir Flüchtlinge aufnehmen, dann wollen wir, dass es ihnen gut geht und dass es auch der Bevölkerung damit gut geht.»
30 Frauen aus Eritrea sind in Wohlen deshalb tagsüber in einem alten Bauernhaus untergebracht, wo sie von einem Heilsarmee-Mitarbeiter betreut werden. Nur schlafen müssen die Frauen in einem Massenlager im Feuerwehr-Depot – weil's schlicht zu wenig Platz hat.
Nun baut Wohlen eine Container-Siedlung für 30 bis 40 Flüchtlinge. Im Februar soll sie bereit sein. Eine lokale Stiftung finanziert sie mit – und will auch für ein allfälliges Defizit gerade stehen. Weil solche kleine Unterkünfte meist teurer im Betrieb sind als die grossen Einrichtungen, auf die der Kanton setzt.
«Finanzen dürfen kein Argument für Massenunterbringung sein»
«Es kann nicht sein, dass die Unterbringung von Asylsuchenden aufgrund der finanziellen Ressourcen entschieden wird», meint der Gemeindepräsident. Sei die Unterbringung von 100 Menschen nur unterirdisch möglich, müsse man darüber diskutieren, ob das Geld anders eingesetzt werden müsse. So, dass auch Lösungen mit 30, 40 oder 50 Menschen an einem Ort über Boden möglich würden.
Improvisieren ist also gefragt – und Wohlen kennt sich damit aus. So wie im Sommer, als die Gemeinde kurzerhand den Jugendtreff räumte für jugendliche Asylsuchende. Jetzt sind sie in einem Pfadiheim untergebracht. Auch dort vorübergehend.
Erfahrungen durchwegs positiv
Geht es nach dem Willen des bernischen Kantonsparlaments, soll das Wohlener Modell Schule machen. Die Erfahrungen damit seien positiv, freut sich Bänz Müller: Es habe zur Folge, dass die Bevölkerung das Gefühl habe, «es sind ja nicht viele, es geht ja gut, wir können mit ihnen umgehen und sie integrieren.» In Wohlen sei so eine positive Stimmung gegenüber den Asylbewerbern entstanden.
Bürger helfen mit Deutsch-Unterricht, Nähkursen oder sie stricken mit Asylbewerberinnen. «Ich stricke eine Mütze für den Winter», sagt eine junge Frau in der Stube des alten Bauernhauses. Nur essen, rumsitzen und warten. Das sei kein Leben. Viel zu langweilig.