Vor einer Woche entzog die Waadtländer Regierung, der Staatsrat, ihrem Mitglied Valérie Dittli von der Mitte-Partei die Verantwortung für das Finanzressort. Zuvor war eine externe Untersuchung zum Schluss gekommen, dass die 32-jährige Dittli ihre Kompetenzen massiv überschritten und möglicherweise das Amtsgeheimnis verletzt hatte. Dittli selbst weist alle Vorwürfe zurück.
Jetzt hat das Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS) herausgefunden, wer genau durch Dittli in den Genuss von vertraulichen Informationen gekommen ist. Es ging dabei um eine Steuersenkungsinitiative aus Wirtschaftskreisen und die Frage, wie der Staatsrat darauf reagieren solle. Gemäss dem Untersuchungsbericht des ehemaligen Neuenburger Regierungsrats Jean Studer hatte Dittli innerhalb der Regierung darauf gedrängt, die Steuern für die wohlhabendsten Steuerzahler im Kanton zu senken. Anfang Sommer 2024 habe das der Staatsrat aber abgelehnt.
Ausschnitt aus der RTS-Sendung «Infrarouge», mit dt. Untertiteln
All diese Vorgänge unterlagen dem Amtsgeheimnis. Trotzdem hat Dittli gemäss Studers Bericht Mitte August 2024 ihre Dienststellen gebeten, das Vorhaben mit Personen ausserhalb der Verwaltung zu besprechen. Nach Informationen von RTS beauftragte sie dafür einen der höchsten Beamten in ihrem Departement, den Direktor der Steuerabteilung, Pierre Dériaz.
Gemäss RTS musste dieser auf Anweisung seiner Chefin das vertrauliche Projekt zwei Personen vorstellen. Zum einen dem Leiter für Finanz- und Steuerpolitik beim Wirtschaftsverband Centre patronal, Jean-Blaise Roggen. Zum anderen Patrick de Preux, einem ehemaligen FDP-Abgeordneten im Kantonsparlament und bis vor Kurzem Präsident des Eishockeyclubs Lausanne.
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Auf Anfrage von RTS wollte de Preux zunächst keine Stellung nehmen. Später sagte er jedoch gemäss RTS, er habe Dittlis Gesandten Pierre Dériaz mehrmals getroffen. Er habe aber nie mit ihm über die Pläne der Staatsrätin zur Überarbeitung der Steuertarife gesprochen.
De Preux wird in dieser Angelegenheit in keiner Weise beschuldigt. Er hatte sich stets dafür eingesetzt, dass die wohlhabendsten Steuerzahler im Kanton bleiben und deswegen auch Dittlis Vorgänger als Finanzminister, seinen FDP-Parteikollegen Pascal Broulis, heftig kritisiert.
Die zweite Person, die gemäss RTS-Recherchen von vertraulichen Informationen aus Dittlis Departement profitierte, Jean-Blaise Roggen, wollte sich nicht zu den Treffen mit dem Leiter der Steuerabteilung äussern. Er betonte aber, dass «wir im Centre patronal oft Leute aus der Verwaltung treffen».
Warum hat Valérie Dittli den Leiter der Steuerabteilung gebeten, Jean-Blaise Roggen und Patrick de Preux zu treffen? Letzte Woche, bei der Vorstellung des Berichts von Jean Studer, bestritt die Magistratin vehement, vertrauliche Informationen weitergegeben zu haben. «Ich weise das entschieden zurück», sagte sie. «Ich habe nie Mitarbeiter gebeten, Personen ausserhalb der Verwaltung Projekte vorzustellen, die in der Regierung diskutiert werden.»