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Interview mit Ex-Kämpfer Was tun mit den Schweizern, die sich dem IS angeschlossen haben?

Drei ehemalige Schweizer IS-Kämpfer befinden sich im Nordosten Syriens in Haft. Das Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS) konnte mit einem von ihnen sprechen.

Der Schweizer Fabien* wird seit acht Jahren im Gefängnis von al-Hasaka in Nordsyrien festgehalten. Wie andere Gefangene wartet der aus Lausanne stammende Mann darauf, dass sein Herkunftsland ihn eines Tages zurückholt.

Im Interview mit dem Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS) sagt Fabien, dass es kein Leben sei, so im Gefängnis auszuharren. Seine einzige Hoffnung liegt derzeit in einem möglichen Regierungswechsel in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Dieser könnte seine Situation beeinflussen.

Schnelle Radikalisierung

Fabien begann früh, sich für den Islam zu interessieren, und konvertierte Anfang 2014, als er noch in der Schweiz lebte. Schon bald radikalisierte er sich und schloss sich 2015 dem Islamischen Staat (IS) an – zu einer Zeit, in der die Terrororganisation grosse Teile Syriens beherrschte. In dieser Zeit fiel der IS durch zahlreiche Gräueltaten auf, insbesondere gegen die Zivilbevölkerung.

Die RTS-Reportage mit deutschen Untertiteln

Vor Ort verlor Fabien laut eigener Aussage schnell seine Illusionen, was zu Spannungen mit den IS-Behörden führte. Er versuchte, mithilfe eines Schleppers aus Syrien zu fliehen, wurde jedoch von kurdischen Kräften verhaftet. Seither wartet Fabien hinter den Mauern des Gefängnisses von al-Hasaka auf einen Prozess.

Und hofft auf eine mögliche Rückführung in die Schweiz, auch wenn er die Bedenken seines Landes versteht: «Ich verstehe, dass die Schweiz Angst hat. Ich war beim IS.» Fabien sagt jedoch auch, dass er heute nicht mehr gefährlich sei: «Ich kenne meine Fehler. Ich möchte dieses Kapitel abschliessen und mein Leben neu beginnen.»

Ende der amerikanischen Hilfe

Bis vor Kurzem haben die USA bis zu 60 Prozent der Gefängnisse und Lager im Nordosten Syriens finanziert. Seit die Trump-Regierung beschlossen hat, die humanitäre Hilfe einzufrieren, hat sich die Lage in der Region erheblich verschlechtert.

Die kurdischen Behörden haben Mühe, angemessene Unterstützung zu leisten. Darunter leiden die Gefangenen.

Anwalt: «Recht auf Rückkehr»

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Ehemalige Kämpfer des IS hätten «ein Recht auf eine individuelle Prüfung ihrer Situation in einem Verfahren, das einer gerichtlichen Überprüfung unterliegen muss», erklärt der Anwalt Kastriot Lubishtani gegenüber RTS.

«Diese Personen geniessen zudem den Schutz des humanitären Völkerrechts. Dieses verpflichtet die Staaten – auch die Schweiz –, ihre Staatsangehörigen zurückzunehmen, wenn diese nicht aktiv an den Feindseligkeiten teilgenommen haben.»

Die Politik des Bundesrats sei auf sicherheitspolitische Überlegungen zurückzuführen, führt Lubishtani aus.

Aus seiner Sicht ist diese Politik jedoch «offensichtlich kurzfristig gedacht» und ignoriere den geopolitischen Kontext.

«Wir werden nicht dauerhaft vom syrischen Chaos verschont bleiben. Früher oder später werden wir unsere Leute zurückholen müssen. Dann lieber jetzt – in einem geregelten und überwachten Rahmen –, als das Risiko einzugehen, dass sie irgendwo untertauchen.»

Gefängnis, dann Integration in die Gesellschaft

«Am Tag ihrer Rückkehr werden diese Personen zuerst im Gefängnis landen», sagt Lubishtani.

Die ehemaligen Kämpfer könnten wegen Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen werden. Falls dieser Tatbestand nicht nachgewiesen werden könne, könnten sie wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation angeklagt werden.

Diese Menschen würden jedoch «irgendwann freikommen. Und dann wird der Staat sie in die Gesellschaft reintegrieren müssen».

Lubishtani unterstreicht die Bedeutung des rechtsstaatlichen, demokratischen Systems: «Von diesem System abzuweichen, heisst, in eine Logik des ständigen Verdachts abzurutschen, wie es typisch ist unter autoritären Regimes.»

«Wir haben derzeit grosse Schwierigkeiten, die notwendige materielle, medizinische und logistische Unterstützung für unsere Lager und Haftzentren bereitzustellen, was die Sicherheit und das Wohlergehen der Menschen, denen wir zu helfen versuchen, ernsthaft gefährdet», bestätigt der kurdische Aussenminister Jihan Hanan.

Während einige Länder damit begonnen haben, ihre Bürger zurückzuholen, die für den IS gekämpft haben, um sie im eigenen Land vor Gericht zu stellen, bleibt die Schweiz bislang hart und lehnt jegliche Rückführung ab.

* Name der Redaktion bekannt

RTS 19h30, 11.4.2025, 19.30 Uhr

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