«Das sind Fotos von homosexuellen Jungs, die von den Russen getötet wurden», sagt Viktor Pilipenko. Er ist der Gründer der ersten Einrichtung in Kiew, die LGBTQ-Veteranen Unterstützung bietet. «Der einzige Ort dieser Art in ganz Osteuropa und allen Ländern des ehemaligen Sowjetblocks.»
Mit mehr als zehn Jahren militärischer Erfahrung kämpfte er 2014 als Freiwilliger im Donbass und 2022 an vorderster Front. Sein öffentliches Coming-out im Jahr 2018 markierte einen radikalen Wendepunkt: Pilipenko war der erste Soldat der ukrainischen Armee, der sich öffentlich outete. Seitdem organisiert er Kampagnen und Initiativen und gründete Online-Communities. Im Juli vergangenen Jahres nun gründete er eine physische Einrichtung – eine Brücke zwischen denjenigen, die aus dem Krieg zurückkehren, und denen, die noch kämpfen.
Dieser verbindende Aspekt wird sichtbar, wenn man die Wand mit den Abzeichen verschiedener Einheiten und Brigaden betrachtet, die Soldaten und Soldatinnen von der Front schicken. «Jeden Tag erhalten wir Anfragen von weiteren Jungs und Mädchen, die mit uns kommunizieren wollen», berichtet Pilipenko.
Die Einrichtung befindet sich im Stadtzentrum Kiews. Sie umfasst einen grossen Raum, einen Saal für Treffen und Diskussionen sowie einen Raum mit Büroarbeitsplätzen. «Wir halten Unterricht und Workshops ab. Wir sind keine geschlossene Gemeinschaft, die ausschliesslich für das Militär arbeitet», erzählt Andriy, ein 51-jähriger Veteran.
Neben der aktiven Unterstützung werde hier auch intensiv daran gearbeitet, die Interessen der LGBTQ-Community zu fördern. «Wir haben uns zusammengeschlossen, um für gleiche Rechte zu kämpfen und einander zu helfen», erklärt Pilipenko.
Ziel ist es, die Anerkennung grundlegender Rechte auch im militärischen Bereich zu erreichen. In der Ukraine fehlt es an einem Gesetz zur Anerkennung ziviler Partnerschaften und zur Ehe für gleichgeschlechtliche Paare sowie an einem Gesetz zur Bestrafung von Hassverbrechen.
Laut einer aktuellen Umfrage des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie sind 70.4 Prozent der ukrainischen Bevölkerung für gleiche Rechte, fast sieben Prozent mehr als vor zwei Jahren. Etwas mehr als eine von vier Personen – 28.7 Prozent – befürwortet zivile Partnerschaften zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren, während 35.7 Prozent dagegen sind. Diese gespaltene Haltung in der Zivilgesellschaft spiegelt sich in einem Land im Krieg zwangsläufig auch im Militär wider.
Heute kämpfen neben Berufssoldaten auch viele Zivilisten, die «keine militärische Kultur» haben, was sich auf Fälle von Homophobie auswirke. «Zudem stammen viele Kommandanten der Armee aus der Sowjetzeit», erklärt Andriy. «Wenn ein Kommandant klug ist, kann er jede Form von Misshandlung verhindern.»
Es gäbe noch viel Arbeit, berichten sie. Sie seien Zielscheibe russischer Propaganda und rechtsextremer Bewegungen. Dennoch sind sie optimistisch: Der Ort sei ein Anfang, ein sicherer Raum. Nur wenige Gehminuten von ihm entfernt befindet sich das Kino Zhovten. Im Oktober 2014 zerstörte ein Brandanschlag einen Teil des Daches während eines LGBTQ-Filmfestivals. Dieses Ereignis verdeutlicht, wie sich die Stadt verändert hat und wie sich die Ukraine im Wandel befindet.