Jurii Butusow ist der zurzeit wohl bekannteste Kriegsreporter der Ukraine. Über seine Sendungen auf Youtube und Telegram erreicht er ein grosses Publikum.
Der Militärjournalist enthüllte Ende letzten Jahres Missstände in einer ukrainischen Brigade, die in Frankreich ausgebildet worden war, von deren Truppen dann aber ein Drittel desertierte.
Die Ukraine führt zwei Kriege gleichzeitig: den Krieg gegen Russland und einen internen Krieg gegen die dunklen Seiten des Landes.
Schuld daran: ein unfähiges Kommando, Chaos bei Rekrutierung und Ausbildung sowie mangelhafte Ausrüstung. Dauerthema bei Butusow ist ausserdem die Korruption – etwa bei der Beschaffung von Rüstungsgütern oder bei der Mobilisierung.
Reformen durch öffentlichen Druck
Alle diese Themen sind Illia Ponomarenko bestens bekannt. Seine Arbeit machte den Kriegsreporter zu Beginn des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine berühmt. Heute arbeitet er als freier Autor und Analyst.
«Die Ukraine führt zwei Kriege gleichzeitig: den Krieg gegen Russland und einen internen Krieg gegen die dunklen Seiten des Landes», sagt der 32-Jährige in einem Café in Kiew.
Es sei schwierig, während eines laufenden Krieges Veränderungen in der Armee herbeizuführen, so Ponomarenko. Aber es gebe Fortschritte, wenn auch nur langsam.
«Wie immer in der Ukraine geschieht dies dank öffentlichen Drucks. Wir nennen es Facebook-Demokratie. Einflussreiche Journalisten, öffentliche Figuren, decken mit viel Lärm Skandale auf und verlangen Veränderungen. Dabei haben sie die Unterstützung der breiten Öffentlichkeit.»
Die sowjetische Vergangenheit
Viele Probleme der ukrainischen Armee hätten mit Gewohnheiten aus der Sowjetzeit zu tun, so Ponomarenko weiter. Oftmals herrsche Angst, den Vorgesetzten zu enttäuschen, schlechte Nachrichten zu überbringen oder Verantwortung zu übernehmen.
Wenn aber unabhängig denkende Figuren das Kommando erhalten würden, die auch einmal Nein sagten, wenn ihre Vorgesetzten unrealistische und schädliche Vorgaben machten, dann mache das einen sehr grossen Unterschied.
In diesem Krieg gibt es keine guten Entscheide. Jede Option ist schlecht.
Solche Kommandanten gebe es, so Ponomarenko. Nur hätten sie es schwer, sich gegenüber den alten Seilschaften durchzusetzen. Deshalb stimme ihn die kürzliche Beförderung des bei den Soldaten äusserst beliebten Generalmajors Michailo Drapati positiv.
Drapati habe gezeigt, dass er ein vernünftiger Kommandant sei, ein sehr kompetenter Organisator und jemand, der sich, wenn nötig, gegen seine Vorgesetzten auflehne. Drapatis Beförderung, so Ponomarenko, sei geradezu mit Euphorie aufgenommen worden.
Spezialisten müssen an die Front
Doch gegen eines der grössten Probleme, den chronischen Mangel an Soldaten, kann auch eine Figur wie Drapati wenig ausrichten. So wurde etwa kürzlich bekannt, dass Spezialisten der Luftwaffe abgezogen und der Infanterie zugeteilt werden.
Ponomarenko findet das zwar keine gute Idee. Allerdings: «In diesem Krieg gibt es keine guten Entscheide. Jede Option ist schlecht.»
Die Militärführung müsse den extremen Mangel an Infanterie-Soldaten irgendwie ausgleichen, denn dieser Krieg werde, ungeachtet aller technologischen Neuerungen, in den Schützengräben entschieden.
Immerhin: Die ukrainische Armee mache manchen Mangel mit Widerstandswillen wett und habe ein unglaubliches Potenzial, so Ponomarenko. Deshalb werde es irgendwann ein Abkommen geben.
Aber bis dann werde leider noch viel Blut vergossen werden.