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Pilotprojekt in der Waadt Wie kann man Kindern in dysfunktionalen Familien helfen?

In der Schweiz mangelt es an Heimplätzen und Pflegefamilien. Ein Pilotprojekt im Kanton Waadt sucht deshalb nach einer Alternative.

Rund 200 000 Kinder und Jugendliche in der Schweiz leben in schwierigen familiären Verhältnissen. Im Kanton Waadt beispielsweise sind im vergangenen Jahr rund 8200 solcher jungen Menschen betreut worden, was rund fünf Prozent aller Minderjährigen in diesem Kanton entspricht. Von diesen wurden 13 Prozent in Heimen oder Pflegefamilien untergebracht.

Die überwiegende Mehrheit jedoch erhielt Coachings, um mit den schwierigen familiären Situationen besser umgehen zu können.

Eine Begleitung zu Hause

Da es in der Schweiz an Heimplätzen und Pflegefamilien mangelt, will der Kanton Waadt bei den Coachings nun einen Schritt weitergehen und diese ausbauen. Dazu findet in Yverdon ein Pilotprojekt statt, durchgeführt von der Stiftung Petitmaître. Die Idee zum Projekt sei «aus einer Reflexion über die Situation eines Kindes entstanden, das hätte platziert werden sollen und keinen Platz fand, da die Heime meist voll waren», erklärt Jean-Pierre Imhoff, Generaldirektor der Stiftung, gegenüber dem Westschweizer Fernsehen RTS.

Bei der Familie dieses Kindes wurde ein intensives Coaching von rund 30 Stunden pro Monat durchgeführt. «Wir gehen zu verschiedenen Tageszeiten in die Wohnung des Elternteils, um zu sehen, wie der Tag um den Rhythmus des Kindes herum organisiert ist und welche Massnahmen ergriffen werden müssen, um den Bedürfnissen des Kindes gerecht zu werden», führt die Sonderpädagogin Marie-Hélène Thibonnet aus.

«Die Probleme des Elternteils können die Entwicklung des Kindes behindern. Wenn der Elternteil dies erkennt und mit unserer Unterstützung Änderungen vornehmen kann, kann dies Früchte tragen.»

Alternativen, die sich entwickeln werden

Laut Jean-Pierre Imhoff dürften sich solche Ansätze in Zukunft weiterentwickeln. «Die Sozial- und Erziehungspolitik, wie sie sich in den nächsten Jahren entfalten wird, zielt genau darauf ab, dass mehr zu Hause gearbeitet wird.»

Solche Alternativen kosten weniger, sowohl in finanzieller als auch in menschlicher und sozialer Hinsicht. Darüber hinaus könnten so die elterlichen Kompetenzen gestärkt werden. Denn Alternativen zur Fremdunterbringung betreffen nicht nur Extremsituationen wie Fälle von körperlicher Misshandlung, sondern sind mit familiären Situationen in einer Grauzone verbunden, wenn sich beispielsweise bestimmte Vernachlässigungen negativ auf die Entwicklung des Kindes auswirken könnten.

Erste Erfolge

Bernard Marchand, Direktor der Stiftung Carrefour in Neuenburg, erklärt gegenüber RTS, dass in den letzten sechs Jahren im Kanton Waadt weitere Dienste entwickelt wurden, die es dem Kind ermöglichen sollen, innerhalb seiner Familie aufzuwachsen und sich zu entwickeln. «Dadurch wurden zwischen 65 und 70 Prozent der Kinder, die vor sechs Jahren noch hätten eingewiesen werden sollen, schliesslich nicht eingewiesen.»

Marchand ist der Ansicht, dass diese Betreuung zwar eine entscheidende Rolle spiele, aber in Extremsituationen wie Missbrauch die Notwendigkeit einer Unterbringung nicht ersetzen kann. Eine Zusammenarbeit mit stationären Einrichtungen sei daher weiterhin erforderlich.

RTS La Matinale, 28.11.2024, 7 Uhr;kobt

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