Nemo hat unmittelbar nach dem Sieg beim Eurovision Song Contest eine politische Forderung formuliert: Die Schweiz soll für nichtbinäre Menschen eine eigene amtliche Kategorie schaffen. Die Debatte ist damit lanciert. Auch in der «dialog»-Community. Sie spricht sich in einer nicht-repräsentativen Umfrage mit rund 58 Prozent gegen eine offizielle Anerkennung eines dritten Geschlechts in der Schweiz aus. Die meisten der Gegnerinnen und Gegner eines dritten Geschlechts argumentieren mit dem administrativen Aufwand.
«Die Kosten für die Änderung unseres gesamten Rechtssystems wären enorm, noch bevor wir überhaupt wissen, wohin wir uns bewegen. So wäre es vielleicht besser, längerfristig ein geschlechterfreies Rechtssystem zu studieren, als kurzfristig ein System mit drei oder vier Geschlechtern, das recht bald ersetzt werden müsste», schreibt beispielsweise der User mit dem Pseudonym «Matterhorn Zermatt».
Den organisatorischen und finanziellen Aufwand beschreibt auch User «Doktor Müller»: «In der Verwaltung wäre der sicherlich stemmbar. Es bräuchte aber in vielen gesellschaftlichen Themen Anerkennungen: Im Sport wäre die Frage, in welcher Disziplin dürfte die betroffene Person starten? In der Wirtschaft würde man fragen, ob es eine Quote für Nichtbinäre in der Geschäftsleitung braucht, in der Schule wäre nicht klar, wo sich das Kind umziehen müsste.»
Das zweithäufigste Argument gegen den Eintrag eines dritten Geschlechts im Personenstandsregister: die Biologie. Stellvertretend schreibt eine Userin: «Hier werden biologische Fakten mit kulturellen Konstruktionen vermischt. Nichtbinärität ist reine soziale Konstruktion, im Ausweis steht das biologische Geschlecht. Die Rollen, in die wir schlüpfen, sind kulturhistorische Konventionen.»
Diese Gründe lassen einige Userinnen und User wie «Water Soluble» allerdings nicht gelten. Sie bezeichnet es als faul, wenn man die Diskussion mit Biologie oder Aufwand wegzuschieben versuche: «Die Biologie ist alles andere als binär, sowohl bei Menschen als auch bei anderen Lebewesen ist das biologische Spektrum viel grösser.» Und: «Nur weil die Anerkennung nichtbinärer Geschlechtsidentität ein langer Rattenschwanz und viele Änderungen mit sich bringt, ist das kein Grund, diese nicht in Angriff zu nehmen. Das war nicht anders als Frauen abstimmen und wählen, ein eigenes Bankkonto eröffnen oder ohne Erlaubnis eines Ehemannes eine Arbeit suchen durften. Änderungen sind immer mit Aufwand verbunden. Aber das lohnt sich!»
Userinnen wie «Teilnehmerin Neugierig» empfinden die Debatte jedoch grundsätzlich als Farce. «Vielmehr sollten wir uns Gedanken machen über die immer noch tief verwurzelten und als Norm weithin akzeptierten, teilweise völlig überholten Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit», schreibt sie. «Wenn ein Mann gerne Nagellack hat und sich schminken will, braucht es keine sonderlichen Konstrukte. Indirekt manifestieren diese wieder nur die verbreiteten Klischees, weil plötzlich das typisch Männliche/Weibliche nicht mehr zu passen scheint. Es braucht echte Emanzipation bei allen!»
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