In der Schweiz sollen auch Schwule und lesbische Paare heiraten dürfen. Der Nationalrat hat am Morgen deutlich Ja gesagt zur «Ehe für alle». Homosexuelle Paare erhalten damit auch das Recht, Kinder zu adoptieren. Überraschend deutlich sprach sich die grosse Kammer zudem dafür aus, dass lesbische Ehepaare Zugang zu Samenspenden erhalten.
Über diesen Entscheid kann sich auch Nationalrätin Kathrin Bertschy (GLP/BE) freuen. Sie hatte Ende 2013 die parlamentarische Initiative für eine «Ehe für alle» eingereicht. Der Entscheid sei dringend notwendig gewesen.
SRF News: Was ändert sich nun für homosexuelle Paare?
Kathrin Bertschy: Zuerst einmal ändert sich der Zivilstand. Homosexuelle Paare können eine Ehe schliessen, was sie bisher nicht konnten. Daran gekoppelt ist auch der Zugang zum Adoptionsverfahren. Vorher haben Einzelpersonen, unabhängig der sexuellen Orientierung, und auch Ehepaare adoptieren können. Gleichgeschlechtliche Paare waren ausdrücklich ausgeschlossen. Das war eine klare Diskriminierung, die zum Glück nun aufgehoben wird.
Neu ist auch der Zugang zur Samenspende, die heute für Frauen, die mit einem Mann verheiratet sind, erlaubt ist, aber nicht für Frauen, die mit einer Frau zusammen sind. Das ist ein wichtiges Signal, weil wir heute Zweiklassenrechte haben; also heterosexuelle und homosexuelle Gesetze, das ist eines modernen Rechtsstaates unwürdig. Man wird mit dem heutigen Zivilstand der eingetragenen Partnerschaft auch geoutet, zum Beispiel beim Arbeitgeber oder wenn man in ein Land reist, in dem man beim Visa-Antrag den Zivilstand angeben muss.
Warum ist es sechseinhalb Jahre gegangen, bis das im Erstrat diskutiert wurde? Und jetzt muss es noch in den Ständerat.
Das hat verschiedene Gründe: Mit einer parlamentarischen Initiative begibt man sich zusammen auf einen Lernprozess in der Kommission. Aber dieser Lernprozess ist verzögert worden. Man kann es früher oder später auf die Traktandenliste nehmen, hier hat man sehr lange gewartet.
Die Schweiz tut sich sehr schwer mit gesellschaftspolitischen Reformen.
Und dann hat es auch mit unserer Form des politischen Systems zu tun, der direkten Demokratie. Es dauerte ebenfalls unglaublich lange, bis die Schweiz das Stimmrecht für Frauen eingeführt hatte. Dieses Land, das sonst so innovativ ist, wenn es um wirtschaftliche Errungenschaften geht, tut sich sehr schwer mit gesellschaftspolitischen Reformen.
Was sagen Sie einer älteren, konservativen Frau, die sehr gläubig ist und sagt: Ich kann mit der Ehe für alle nichts anfangen, weil für mich die Ehe von Gott gegeben und geschützt ist?
Für sie ändert sich nichts. Niemand verliert etwas, wenn wir allen Menschen die gleichen Rechte gewähren. Die Kirche und andere private Vereine können weiterhin vor ihren Traualtar führen, wen sie wollen.
Hier geht es um die zivile Ehe, hier geht um den Rechtsstaat, bei dem in der Verfassung steht: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Und wo auch steht, dass das Recht auf Ehe und Familie gewährleistet ist. Es geht darum, ob wir dem gerecht werden und die Grund- und Menschenrechte gewähren. Und deshalb ist es etwas sehr Positives, dass der Rechtsstaat jetzt gewonnen hat.
Das Gespräch führte Urs Leuthard.