Der Hund, der Katzen mag. Die grosse Männerfigur, die Röcke und blumige Schuhe trägt. Der Junge mit der Handtasche. Es sind scheinbare Details aus den Mumin-Originalbüchern, die in den letzten Jahren zunehmend Aufmerksamkeit erfahren haben.
Details, die Autorin Tove Jansson mitnichten zufällig gewählt hatte. Heute nennt man es «queer». Die Mumin-Figuren macht diese Lesart, 80 Jahre nach ihrer Entstehung, noch vielschichtiger als zuvor.
Trolle als Forschungsobjekt
Die Mumins (englisch «Moomins») sind nilpferdähnliche Trolle, entstanden im Helsinki der 1940er-Jahre aus der Feder der finnlandschwedischen Malerin Tove Jansson. Vom populären Kinderbuch avancierten sie bald zum täglich erscheinenden Zeitungs-Comic in Grossbritannien, wanderten als polnische Stop-Motion-Figuren über die Leinwand und wurden zum Anime-Film in Japan.
Die Mumins sind keine simplen Superhelden. Wenn sie eine Superkraft haben, dann ist es ihre Freundlichkeit und Inklusivität.
Noch heute entstehen in Finnland immer neue, nunmehr digitale Cartoons. Längst sind die Mumins auf Tassen, Socken oder als Kochschürze auch zum kommerziellen Exportschlager geworden.
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Bild 1 von 6. Die Mumins entstanden Mitte der 1940er-Jahre als Kinderbuchfiguren. Bildquelle: SRF/Felicie Notter.
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Bild 2 von 6. Die Ausstellung «Paradise» im Kunstmuseum Helsinki zeigt die Traumwelten der Autorin Tove Jansson: Natur und Feste als bunte Zufluchtsorte aus der Nachkriegsrealität. Bildquelle: SRF/Felicie Notter.
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Bild 3 von 6. Die Mumins, die Tove Jansson in den 1940er-Jahren schuf, wurden in den 50ern zum Comic-Strip in Grossbritannien …. Bildquelle: Moomin Characters.
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Bild 4 von 6. … und wanderten bald als animierte Figuren in einem polnischen Stop-Motion-Film über den Bildschirm … . Bildquelle: Filmkompaniet/Trademark Moomin Characters.
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Bild 5 von 6. ... oder wurden gezeichnet für japanische Anime-Filme in den 90ern …. Bildquelle: Youtube/Moomin Official.
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Bild 6 von 6. … und digital animiert entstehen noch heute immer neue Abenteuer. Bildquelle: Gutsy Animations.
In Finnland sind die Mumins auch ein Forschungsobjekt. Laut Mia Österlund von der Åbo Akademi, der schwedischsprachigen Universität Turku, sind die Mumins aber keine plakativen Heldenfiguren – sondern viel komplexer. «Die Mumins sind keine simplen Superhelden», sagt sie. «Wenn sie eine Superkraft haben, dann ist es ihre Freundlichkeit und Inklusivität.»
Denn in den Geschichten hat es Platz für alle: Sie leben von niedlichen bis schrägen Figuren, die mal leise und sanft, mal eigensinnig und verschroben sind.
Vielsagende Fussnoten
Da überrascht es nicht, dass sie auch mal traditionelle Gender-Normen sprengen. Die Details, die darauf hinweisen, sind mal mehr, mal weniger offensichtlich. «Jansson verwendet dafür auch Fussnoten – das ist sehr ungewöhnlich für Kinderbücher», sagt Forscherin Österlund.
In einer Fussnote werfe die Autorin etwa die Frage auf, warum die männliche Hemulen-Figur denn immer Röcke trage – ohne aber eine Antwort zu geben. Der Hinweis bleibe zwar vage, aber: «Jannson unterstreicht damit die Queerness der Figur – so, dass man sie eigentlich nicht übersehen kann.»
Auch die Muminfamilie mit Papa, Mama und Kindern sehe nur auf den ersten Blick wie eine traditionelle Kernfamilie aus. «Die Familie ist immer bereit, andere Kreaturen bei sich aufzunehmen – sie nehmen einfach einen Stuhl dazu und integrieren sie.» Die Familie sei offen für das Andersartige. «Das ist auch eine queere Eigenschaft», so Österlund.
Zwei Frauen auf einer Insel
Queer war auch Künstlerin Jansson selbst. Sie war keine Aktivistin, aber lebte ihre Bisexualität mit grosser Selbstverständlichkeit – obwohl Homosexualität in Finnland bis 1971 verboten war. Für ihren Mut bewundern sie heute viele, in Finnland ist Jansson eine Ikone.
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Bild 1 von 2. Mit ihrer langjährigen Partnerin Tuulikki Pietilä lebte Jansson auf einer abgelegenen Insel. Tuulikki hat die Figur Tuutikki inspiriert, eine Freundin der Mumin-Familie. Bildquelle: Olov Jansson .
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Bild 2 von 2. Zwei skandinavische Autorinnen, die die Fantasie von Kindern und Erwachsenen in aller Welt zum Fliegen gebracht haben: Astrid Lindgren (links) und Tove Jansson (rechts) 1970 bei einer Preisverleihung in Stockholm. Bildquelle: Imago/TT.
Ihre Partnerin Tuulikki Pietilä, mit der Jansson während Jahrzehnten zusammen auf einer Insel lebte, fand als Figur «Tuutikki» Eingang in die Mumin-Geschichten. Die Mumins gelten in Finnland heute vielen als nationales Kulturerbe.