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Freundlich und inklusiv Sanfte Helden: Mit 80 Jahren werden die Mumins «queer»

Die nilpferdähnlichen Mumintrolle sind ein finnischer Exportschlager. Heute werden sie zunehmend «queer» gelesen.

Der Hund, der Katzen mag. Die grosse Männerfigur, die Röcke und blumige Schuhe trägt. Der Junge mit der Handtasche. Es sind scheinbare Details aus den Mumin-Originalbüchern, die in den letzten Jahren zunehmend Aufmerksamkeit erfahren haben.

Themenpark in Helsinki
Legende: Die Mumins sind längst finnisches Kulturgut geworden. In «echt» kann man sie auch in einem Themenpark in Helsinki erleben, der ihnen gewidmet ist. Imago/newspix

Details, die Autorin Tove Jansson mitnichten zufällig gewählt hatte. Heute nennt man es «queer». Die Mumin-Figuren macht diese Lesart, 80 Jahre nach ihrer Entstehung, noch vielschichtiger als zuvor.

Trolle als Forschungsobjekt

Die Mumins (englisch «Moomins») sind nilpferdähnliche Trolle, entstanden im Helsinki der 1940er-Jahre aus der Feder der finnlandschwedischen Malerin Tove Jansson. Vom populären Kinderbuch avancierten sie bald zum täglich erscheinenden Zeitungs-Comic in Grossbritannien, wanderten als polnische Stop-Motion-Figuren über die Leinwand und wurden zum Anime-Film in Japan.

Die Mumins sind keine simplen Superhelden. Wenn sie eine Superkraft haben, dann ist es ihre Freundlichkeit und Inklusivität.
Autor: Mia Österlund Forscherin an der Åbo Akademi in Turku

Noch heute entstehen in Finnland immer neue, nunmehr digitale Cartoons. Längst sind die Mumins auf Tassen, Socken oder als Kochschürze auch zum kommerziellen Exportschlager geworden.

In Finnland sind die Mumins auch ein Forschungsobjekt. Laut Mia Österlund von der Åbo Akademi, der schwedischsprachigen Universität Turku, sind die Mumins aber keine plakativen Heldenfiguren – sondern viel komplexer. «Die Mumins sind keine simplen Superhelden», sagt sie. «Wenn sie eine Superkraft haben, dann ist es ihre Freundlichkeit und Inklusivität.»

Denn in den Geschichten hat es Platz für alle: Sie leben von niedlichen bis schrägen Figuren, die mal leise und sanft, mal eigensinnig und verschroben sind.

Vielsagende Fussnoten

Da überrascht es nicht, dass sie auch mal traditionelle Gender-Normen sprengen. Die Details, die darauf hinweisen, sind mal mehr, mal weniger offensichtlich. «Jansson verwendet dafür auch Fussnoten – das ist sehr ungewöhnlich für Kinderbücher», sagt Forscherin Österlund.

In einer Fussnote werfe die Autorin etwa die Frage auf, warum die männliche Hemulen-Figur denn immer Röcke trage – ohne aber eine Antwort zu geben. Der Hinweis bleibe zwar vage, aber: «Jannson unterstreicht damit die Queerness der Figur – so, dass man sie eigentlich nicht übersehen kann.»

Mumin-Event in einer Bibliothek in Helsinki
Legende: Wenn ein Mumin ruft, kommen die Kinder (und Erwachsenen) in Scharen – so wie bei diesem Mumin-Event in einer Bibliothek in Helsinki. SRF/Felicie Notter

Auch die Muminfamilie mit Papa, Mama und Kindern sehe nur auf den ersten Blick wie eine traditionelle Kernfamilie aus. «Die Familie ist immer bereit, andere Kreaturen bei sich aufzunehmen – sie nehmen einfach einen Stuhl dazu und integrieren sie.» Die Familie sei offen für das Andersartige. «Das ist auch eine queere Eigenschaft», so Österlund.

Zwei Frauen auf einer Insel

Queer war auch Künstlerin Jansson selbst. Sie war keine Aktivistin, aber lebte ihre Bisexualität mit grosser Selbstverständlichkeit – obwohl Homosexualität in Finnland bis 1971 verboten war. Für ihren Mut bewundern sie heute viele, in Finnland ist Jansson eine Ikone.

Ihre Partnerin Tuulikki Pietilä, mit der Jansson während Jahrzehnten zusammen auf einer Insel lebte, fand als Figur «Tuutikki» Eingang in die Mumin-Geschichten. Die Mumins gelten in Finnland heute vielen als nationales Kulturerbe.

Hörspiel «Winter im Mumintal»

10vor10, 27.3.2025, 21:50 Uhr

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