Dominik Gossweiler und Giuseppe Fiorentino, die Gründer der Marketing-Agentur 3CC Studios, fahren nicht mehr Porsche, sondern McLaren – eine der weltweit teuersten Automarken.
Sie tragen teure Uhren, zählen dicke Notenbündel und sind oft in Dubai. Auf Social Media stellen sie ihren luxuriösen Lebensstil provokativ zur Schau.
Dropshipping soll sie zu Multimillionären gemacht haben. Ihr Wissen möchten sie nun an andere weitergeben. Dafür hätten sie den Lehrgang «Ecomverse» lanciert, sagen sie.
Der Lehrgang besteht im Wesentlichen aus Videos, welche die Grundlagen von E-Commerce vermitteln. Je nach Ausbildungsstufe kommen laut 3CC Studios Einzel- oder Gruppengespräche hinzu, in denen Experten befragt werden können.
Die Botschaft auf Social Media ist klar: «Mach unseren Kurs und auch du kannst so erfolgreich werden wie wir.» Damit treffen sie einen Nerv, insbesondere bei Jungen, die ihren Lehrlingslohn aufbessern wollen oder von mehr Unabhängigkeit träumen.
Die erfolgreichen Gründer, die ihr Wissen weitergeben, sind eine Seite dieser Geschichte. Auf der anderen Seite stehen Menschen wie Kai. Mit 18 Jahren meldete er sich bei 3CC Studios für einen Kurs an, der damals 4500 Franken kostete.
Sein Startkapital hatte er damit schon aufgebraucht, sein Onlineshop war kein Tag online. Er hatte kein Geld mehr, um die Marketingkosten zu decken. Dafür zahlte er zwei Jahre lang die Kurskosten ab. Er wollte aus dem Vertrag aussteigen, doch die Firma blieb hart. «Das war extrem belastend und ich konnte mir gefühlt fast nichts mehr leisten. Es hat mir nichts gebracht, ausser Geld zu verlieren», sagt Kai. Wie kam es dazu?
Manipulative Methoden im Beratungsgespräch
Recherchen von «SRF Impact» zeigen nun, dass Dominik Gossweiler und Giuseppe Fiorentino zwar erfolgreiche Dropshipper sind, aber einen Grossteil ihres Vermögens mit dem Verkauf ihrer Kurse gemacht haben müssen.
Das wäre nur halb so problematisch, wären da nicht Fälle wie Kai und wären da nicht die manipulativen Techniken, welche 3CC Studios anwendet. Diese sind durch interne Dokumente belegt.
Durch Werbung auf Social Media lockt 3CC Studios Kundinnen und Kunden an. Im Beratungsgespräch müssen diese ihre Investitionsbereitschaft für einen eigenen Onlineshop offenlegen.
Es hat mir nichts gebracht, ausser Geld zu verlieren.
Den Preis des Lehrgangs erfahren sie erst später. Ausserdem suggeriert die Firma ein knappes Platzangebot, man muss sich also auf einen Platz bewerben.
Der Blick in Arbeitsverträge von 3CC Studios offenbart jedoch, dass das Platzangebot kaum begrenzt sein kann. Angestellte im Verkauf haben ein Mindestumsatzziel von 100'000 Franken pro Monat, wenn dies erreicht ist, erhalten sie eine Provision. Es gibt also einen Anreiz, möglichst viele Kunden zum Vertragsabschluss zu bringen.
Ein ehemaliger Mitarbeiter von 3CC Studios sagt gegenüber «SRF Impact», dass diese Ziele erreicht würden. «In den zwei Jahren, in denen es die Firma jetzt gibt, dürften wir mittlerweile bei einem Umsatz zwischen 31 und 34 Millionen Franken sein», sagt Reto Tanner*.
Die günstigste Ausbildungsstufe kostet mittlerweile 4950, die teuerste 25'000 Franken. «Wir haben Unmengen an Kursen verkauft, ich war häufig bis spät in die Nacht mit Verkaufsgesprächen beschäftigt.»
Hohe Stornogebühren und Unterschrift per Klick
3CC Studios arbeitet mit vergleichsweise hohen Stornogebühren und kurzen Stornozeiten. Wer seinen Kurs innerhalb von 24 Stunden storniert, schuldet noch 15 Prozent des Kaufpreises, wer dies innert sieben Tagen tut, schuldet 30 Prozent und danach wird der volle Betrag fällig. So ist es in den AGB festgehalten.
In den Beratungsgesprächen würden 3CC-Beraterinnen diese Bedingungen aber quasi nie erwähnen, sagen ehemalige Kundinnen und Kunden. Auch im internen Gesprächsleitfaden fehlt ein entsprechender Hinweis.
Der Vertrag wird im Beratungsgespräch mit einer elektronischen Unterschrift mit wenigen Mausklicks unterzeichnet – an sich kein besonderer Vorgang, aber im Zusammenspiel mit psychologischem Druck, einer künstlichen Angebotsverknappung und hohen Stornogebühren zumindest ein fragwürdiger. «Mit wenigen Klicks haben wir so Umsätze bis zu 25'000 Franken generiert», kommentiert Reto Tanner.
Der ehemalige Mitarbeiter zeichnet ein Bild, das an den Hollywood-Film «The Wolf of Wallstreet» erinnert: «Bei jedem Vertragsabschluss wurde mit lauter Musik gefeiert, alle, die noch in Beratungsgesprächen waren, mussten in ruhige Zimmer flüchten. Wir haben den Leuten auch Versprechen gemacht, dass sie mit einer teureren Ausbildungsstufe mehr verdienen würden, faktisch haben wir aber nie konkrete Durchschnittswerte von Verdiensten berechnet. Intern nannten wir das Fugazi-Versprechen, also Fake-Versprechen. Wir redeten sehr oft über Verkaufspsychologie.»
Hoher Preis und wenig Leistung?
Nicht alle sind mit dem Angebot unzufrieden: Charbel war einer der ersten Kunden und ist heute nach eigenen Angaben der erfolgreichste Dropshipper der Schweiz. In den vergangenen drei Monaten will er mit Dropshipping über 500'000 Franken umgesetzt haben. Mittlerweile bietet er auch selbst Dropshipping-Coachings an.
3CC Studios wirbt auch mit seinem Erfolg, um weitere Kunden anzuziehen. Der Haken dabei: Nur gerade ein bis fünf Prozent der Onlineshops von Dropshippern sind gemäss Experten effektiv profitabel. Das räumt auch Charbel ein.
Der ehemalige Mitarbeiter Reto Tanner sagt dazu: «Bei der günstigsten Ausbildungsstufe hatte ich kein schlechtes Gewissen, man lernt alles, was man braucht. Den Zugriff auf Schulungsvideos haben alle. Aber die Preise der teureren Weiterbildung sind nicht gerechtfertigt. In wöchentlichen Einzel- oder Gruppengesprächen haben wir den Teilnehmern nichts aktiv vermittelt, sie können einfach ihre Fragen stellen. Ausserdem war der Support häufig überlastet.»
Dazu schreibt 3CC Studios: «Die Kapazität unserer Experten für den Support, welcher unseren Qualitätsstandards entspricht, ist jederzeit gegeben.»
Das Angebot für Minderjährige
Für diejenigen, die sich die günstigste Ausbildungsstufe des «Ecomverse» für 4950 Franken nicht leisten können, hat 3CC Studios die «Elite Academy» ins Leben gerufen. Für ein Jahr Zugriff auf Videos, die Finanzthemen wie Trading oder Kryptowährungen thematisieren, bezahlt man monatlich knapp 60 Franken. Es gelten die gleichen Stornobedingungen wie für die anderen Angebote.
Die Zielgruppe sind explizit Minderjährige und auch bei diesem Angebot wendet 3CC Studios manipulative Techniken an, wie Zitate aus dem Leitfaden für Verkaufsgespräche zeigen: «[...] nach 3 oder 4 Lehrjahren bist du dann angestellt. Aber im Innern weisst du, dass es nicht DAS ist, was du wirklich willst. Ich denke, darum bist du auch bei uns. Du suchst einen Weg aus dem System oder?»
Reto Tanner sieht das anders: «Mit der Elite Academy kann man die jungen Leute brainwashen, dass sie dann einen teureren Kurs machen, wenn sie genug Geld haben.»
*Name geändert und der Redaktion bekannt
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