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Ist die Schweiz dank Nemo toleranter geworden?
Aus 10 vor 10 vom 17.06.2024.
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Einstellung zu Nonbinarität Non-binär in der Schweiz: Wie gross ist der «Nemo-Effekt»?

Das Musiktalent macht non-binäre Menschen sichtbarer. Doch einen dritten Geschlechtseintrag lehnt eine Mehrheit der Bevölkerung weiterhin ab.

Heute Abend – etwas mehr als einen Monat nach dem Sieg am Eurovision Song Contest (ESC) – wird Nemo in der Heimatstadt Biel mit einem offiziellen Empfang gefeiert. Seit Nemos ESC-Sieg ist das Musiktalent in den Schlagzeilen. Wegen des Siegs, wegen des Songs, aber auch, weil Nemo anderen non-binären Menschen eine Stimme gibt.

«Nemo hat non-binären Personen ein Gesicht gegeben»

Wie denkt man in der Schweiz über trans und non-binäre Menschen? Dieser Frage ist eine repräsentative Umfrage des Gottlieb Duttweiler Instituts nachgegangen. Laut der Erhebung sind nach Nemos Sieg mehr Leute positiv gegenüber Non-Binären eingestellt als noch vor dem ESC-Sieg.

Auf die Frage: «Welche Gefühle würde der Zuzug einer trans oder non-binären Person in Ihrer Nachbarschaft bei Ihnen auslösen?» sprachen vor Nemos Sieg gut ein Fünftel der Befragten von negativen Gefühlen. 13 Prozent standen einer non-binären oder trans Person in der Nachbarschaft positiv gegenüber. Die Mehrheit war neutral eingestellt.

Kurz nach dem ESC-Sieg hatten sich die Werte genau umgekehrt: 21 Prozent empfänden einen Zuzug in die Nachbarschaft als positiv, 13 Prozent als negativ. Studienleiter Jakub Samochowiec erklärt sich das so: «Viele haben ein relativ eindimensionales Bild von non-binären Menschen. Das löst auch Unsicherheit aus.» Das könne sich in negativen Stereotypen und Vorurteilen zeigen. «Nemo hat dieses Bild dreidimensional gemacht und non-binären Menschen ein Gesicht gegeben.»

Der Effekt in der Community

Das spüren auch viele, die sich als non-binär identifizieren: «Wir sind viel sichtbarer geworden, das Bewusstsein und das Verständnis hat sich unglaublich gestärkt», sagt Do Graff. Do ist 55 Jahre alt und engagiert sich bei «WeExist». Das Kollektiv setzt sich für die rechtliche Anerkennung von non-binären Menschen in der Schweiz ein.

Mehr zur Studie

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Die repräsentative Umfrage befragte zwei Wochen vor dem ESC 3000 Menschen in der deutschen und französischen Schweiz dazu, welche Gefühle der Zuzug einer trans- oder non-binären Person in ihrer Nachbarschaft bei ihnen auslösen würde. Eine Woche nach dem ESC wurden erneut 1000 Menschen aus der französischen und deutschen Schweiz befragt.

Die Umfrage fand im Rahmen einer neuen Gesellschaftsstudie des Gottlieb Duttweiler Instituts statt, die im Herbst erscheint.

Do traute sich erst mit 55 Jahren, dank Nemos Sieg am ESC, sich bei der Arbeit als non-binär zu outen. Dass Do so lange mit dem Outing gewartet hatte, hatte seine Gründe: «Ich hatte Angst, dass ich nicht mehr als die Person gesehen werde, die ich bin und dass meine Kompetenzen angezweifelt werden.» Aber die Reaktionen seien durchwegs positiv gewesen.

Nemo in weissem Flauschpulli in Menschenmasse, macht Selfie mit dunkelhaariger Frau, daneben grosse Kamera
Legende: Nemos Sieg wirkt sich auch auf die Sichtbarkeit von non-binären Personen in der Schweiz aus. KEYSTONE / Walter Bieri

Auch Caro Colijn, 23-jährig, engagiert sich bei «WeExist» und spürt den Effekt von Nemos Medienpräsenz: «Vorher war Nonbinarität ein abstrakter Begriff. Jetzt ist vielen klarer, worum es geht: nicht Mann, nicht Frau, sondern etwas dazwischen oder daneben.»

Akzeptanz ja, gesetzliche Verankerung nein

Nemo nutzt die Medienpräsenz auch, um sich für einen dritten Geschlechtseintrag starkzumachen. Aktuell ist es in der Schweiz nicht möglich, dass sich Personen in einer dritten Kategorie neben «männlich» oder «weiblich» registrieren können.

Menschen sind eher bereit, ihr persönliches Verhalten zu ändern, als dass sie eine gesetzliche Änderung unterstützen.
Autor: Jakub Samochowiec Forscher, Gottlieb Duttweiler Institut

Trotz des Nemo-Effekts, welchen das Gottlieb Duttweiler Institut in seiner Studie ausweisen konnte: Laut einer am Montag erschienenen Tamedia-Umfrage ist die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung, 57 Prozent, gegen einen dritten Geschlechtseintrag. Wie passt das zusammen?

«Menschen sind eher bereit, ihr persönliches Verhalten zu ändern, als dass sie eine gesetzliche Änderung unterstützen», sagt Studienleiter Jakub Samochowiec. Er vermutet, dass die Euphorie künftig wieder abnimmt. «Aber mehr Menschen werden ein differenziertes Bild behalten.»

Audio
Debatte um Drittes Geschlecht: Was heisst es, non-binär zu sein?
15:12 min Bild: EPA / TOMS KALNINS
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SRF 4 News, 17.06.2024, 19 Uhr ; 

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