Es ist die absolute Horrorvorstellung von Eltern, deren Kinder online unterwegs sind: Auf Gaming-Plattformen sollen sektenähnliche Gruppen gezielt Kinder und Jugendliche kontaktieren, um sie übelst zu manipulieren. Die Faktenlage dazu ist aber dünn. Trotzdem warnt die europäische Polizeibehörde Europol vor diesen Gruppen, die in manchen Medien sogar «Suizidsekten» genannt werden. Sie sollen Minderjährige zur Selbstverletzung anstiften oder sogar in den Suizid treiben. Digitalredaktor Jürg Tschirren klärt auf.
Was schreibt Europol in seiner Warnung genau?
Europol warnt vor sektenartigen Onlinegemeinschaften, die miteinander vernetzt seien und von denen es immer mehr gebe. Diese haben auch mit Missbrauch von Kindern zu, wie weiter Europol erklärt. Diese Onlinegemeinschaften würden digitale Plattformen nutzen, um sich zu organisieren und auch, um an potenzielle Opfer zu gelangen. Da würden extrem gewalttätige Inhalte über das Internet geteilt. Aber es bleibt bei dieser eher diffusen Warnung. Konkrete Fälle für solchen Missbrauch nennt Europol keine.
Wie gross ist das Problem?
Das ist sehr schwer zu sagen. Europol nennt in der Meldung keine Zahlen. Es ist aber unbestritten, dass es solche Vorfälle gibt und jeder einzelne dieser Vorfälle einer zu viel ist. So berichtete «Der Spiegel» über den Fall eines 25-Jährigen, der von einer solchen Gruppe zum Suizid angestiftet worden sei. Die aktuelle Europol-Meldung trägt auf Deutsch übersetzt den Titel «Der Aufstieg von Online-Kultgemeinschaften, die sich extrem gewalttätigem Kindesmissbrauch widmen». Das klingt dann doch sehr reisserisch, wohl auch in der Hoffnung, dass die Medien auf einen solchen Titel anspringen. Wie gesagt, die angesprochenen Probleme sind real. Es fragt sich einfach, ob alle Vorfälle wirklich in diesem Zusammenhang stehen.
Wie lässt sich gegen dieses Problem vorgehen?
In der aktuellen Europol-Sendung heisst es, dass die Täter auf Onlineplattformen aktiv nach gefährdeten Personen suchen, auch mit dem Ziel, sie zu Taten zu verführen, mit denen man sie dann nachher erpressen kann. Grundsätzlich sind die Betreiber der Plattformen in der Pflicht, so etwas so gut es geht zu verunmöglichen. Wobei das eben auch nicht ganz so einfach ist, weil man schon will, dass es weiterhin möglich bleibt, dass Jugendliche sich auf solchen Plattformen über ihre Probleme austauschen können.
Was kann man als Einzelperson machen?
Medienkompetenz ist hier ein sehr wichtiges Stichwort in diesem Zusammenhang. Und es ist am Umfeld, also an den Eltern, den Geschwistern, Jugendlichen die nötigen Kompetenzen mitzugeben, dass sie eben nicht Opfer werden können von solchen Tätern. Das Umfeld muss frühzeitig erkennen, wenn ein Jugendlicher, eine Jugendliche gefährdet ist. Europol gibt in der Meldung einige Tipps, was Zeichen dafür sein könnten. Wenn zum Beispiel Onlineaktivitäten nur heimlich stattfinden oder wenn Jugendliche online mit Unbekannten Kontakt haben und davon auch nichts erzählen wollen. Es gibt auch Anzeichen in der richtigen Welt, die einen aufmerksam machen sollten, wo man sich vielleicht fragen sollte, was da los ist.