Kranksein ist langweilig. Vor einem Jahr vertrieb sich deshalb der damals 7-jährige Aleks Rygalik aus dem Kanton Zürich die Zeit im Bett mit einem Spiel auf einem Tablet. Er gestaltete sich im Spiel «Sword Melter» ein Schwert und wandelte damit durch verschiedene Welten.
Was seine Mutter nicht wusste: Das Spiel ist erst ab 12 Jahren freigegeben. Und: Um besser zu werden, kaufte Aleks regelmässig Zusatzfunktionen – und diese wurden der Kreditkarte belastet, mit der das Tablet verbunden war. Sie bemerkte die dutzenden Abrechnungen erst, als sie ihre Karte für ein Hotelzimmer hinterlegen wollte und diese gesperrt war. «Ich war schockiert», sagt sie. Insgesamt hatte Aleks 890 Franken ausgegeben.
Die Gaming-Branche hat sich zunehmend auf Smartphones verlagert. Das hat laut SRF-Digitalredaktor Guido Berger verändert, wie die Spielehersteller Geld verdienen können. Denn die Zahlungsbereitschaft für den Download von Apps ist nicht so hoch wie früher, als man Spiele direkt gekauft hat. «Die Entwickler sind auf die Idee gekommen, das Spiel zuerst einmal gratis anzubieten und erst später Geld zu verlangen», sagt Guido Berger. «Das führt zu mehr Umsatz für die Hersteller.»
Beschwerde auf europäischer Ebene
Diese Praxis ist nicht nur einigen Eltern ein Dorn im Auge. Es regt sich auch Widerstand auf politischer Ebene. Die europäische Konsumentenorganisation BEUC hat am vergangenen 12. September bei der Europäischen Kommission eine Beschwerde gegen die Spieleentwickler eingereicht. Sie zielt auf die führenden Unternehmen, die hinter beliebten Spielen wie Fortnite, EA Sports FC, Minecraft oder Clash of Clans stehen.
22 Mitgliedsorganisationen in 17 Ländern haben sich beteiligt, so auch die Schweizer Konsumentenschutzorganisation FRC (Fédération romande des consommateurs) aus der Romandie. Sie hat Klage beim Staatssekretariat für Wirtschaft Seco eingereicht. FRC-Präsidentin und Grüne-Nationalrätin Sophie Michaud Gigon sagt: «Die Spielehersteller basieren ihr Geschäftsmodell auf Manipulation. Das veranlasst Überkonsum.»
Ihre Forderungen: Die Spielwährungen müssen in Schweizer Franken ausgewiesen sein. Und zu jedem Zeitpunkt des Kaufprozesses muss klar sein, wie viel für welches Produkt zu zahlen ist.
Ändere sich nichts, erwäge man an eine Strafanzeige. Die Praktiken fallen in ihren Augen unter unlauteren Wettbewerb und verstossen gegen die Verordnung für Preisbekanntgabe.
Branchenverband sieht Eltern in der Verantwortung
Beim Schweizer Branchenverband sieht man keinen Handlungsbedarf. Peter Züger ist Präsident der Swiss Interactive Entertainment Association. Er ist der Ansicht, dass im Jugendschutz genug getan werde und dass diese Angebote im Sinne der Konsumenten und Konsumentinnen seien.
Die Verantwortung sieht er bei den Eltern: «Es gibt genügend Möglichkeiten, es technisch zu limitieren. Gehen Sie mit den Kindern die Verantwortung an und treffen sie Vereinbarungen, damit genau so etwas nicht passiert.»
Aleks' Mutter hat sich für die wirksamste Massnahme entschieden: Ihre Kreditkarte ist nicht mehr mit dem Gerät verbunden, das ihr Sohn nutzen darf.