Laurin Krausz hebt eine Schachtel mit Fruchtsäften aus dem Regal. Er schüttelt eine der gelben Flaschen und betrachtet sie kritisch. Dann öffnet er das Fläschchen und probiert einen kleinen Schluck. «Die können wir auch verkaufen», sagt er zufrieden zu seiner Freundin Angeline Suppiger.
Das Paar steht im Lager ihres Online-Shops «Secend». Seit eineinhalb Jahren führen die beiden ihr Geschäft. Der Handel mit Lebensmitteln ist aber nicht der erste Job des Paares. Die beiden gehörten zu den erfolgreichsten Models der Schweiz und standen für bekannte Modelabels aus aller Welt vor der Kamera.
Probieren, statt Haltbarkeitsdatum lesen
Heute sammeln die beiden Lebensmittel, die bald ablaufen. Supermärkte dürfen sie nicht mehr verkaufen, obwohl sie nach wie vor geniessbar sind.
Wir sollten uns auf unsere Sinne verlassen, statt nur auf ein aufgedrucktes Datum.
Die 30-jährige Angeline Suppiger sagt, in vielen Köpfen sei noch der Gedanke verankert, dass man Produkte über dem Haltbarkeitsdatum wegwerfen müsse: «Ich hoffe, dass es ein Umdenken gibt. Dass die Menschen ein Produkt aufmachen, daran riechen und vielleicht sogar probieren, bevor sie es wegwerfen. Wir sollten uns auf unsere Sinne verlassen, statt nur auf ein aufgedrucktes Datum.»
Ihren Laden führt das Paar zu zweit und arbeitet mit einer Logistikfirma zusammen. Sie lagern rund 400 verschiedene Produkte, die im Schnitt nur die Hälfte des herkömmlichen Preises kosten. Täglich laufen zwischen 50 und 100 Bestellungen bei ihnen ein.
Inspiration aus dem Ausland
Alles dürfen Suppiger und Krausz aber nicht verkaufen – sie müssen sich an einen, vom Bund vorgegebenen, Leitfaden halten. Der 29-jährige Krausz sagt: «Zucker und Mehl ist auch ein Jahr über dem Haltbarkeitsdatum noch konsumierbar. Bei Öl und Süssgetränken sind es rund vier Monate, bei Chips und Nüssen ist es vielleicht noch ein Monat.»
Die Idee für ihr Geschäftsmodell kommt aus dem Ausland. Für seine Modelaufträge ist Laurin Krausz fast jede zweite Woche nach Berlin gereist, wo er oft einen Laden für abgelaufene Produkte besuchte: «Da haben wir uns überlegt: Wie könnten wir so etwas ähnliches in der Schweiz aufbauen?»
Eine Arbeit mit Sinn
Heute kümmert sich das Paar hauptberuflich um ihren Online-Shop. Das Modeln steht an zweiter Stelle. Damit hat das Paar kein Problem. Im Gegenteil: «Ich glaube, wir hatten beide den Wunsch etwas sinnvolles zu machen. Wir durften coole Erfahrungen sammeln mit dem ganzen Modeln und Reisen, aber irgendwie hat mir immer ein bisschen etwas gefehlt», sagt Suppiger.
Der Zukunft sieht das Paar zuversichtlich entgegen. Krausz sagt: «Spätestens wenn die Umweltprobleme grösser werden, suchen die Menschen nach Alternativen. Dann werden solche Projekte wie ‹Secend› wichtiger.»