Die deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer weibelt am WEF in Davos für das Aus von neuen fossilen Projekten und Investitionen. Sie ist direkt aus Lützerath angereist, wo sie gegen den weiteren Abbau von Kohle protestiert hat – vergeblich. Im Interview sagt sie, wieso die Aktionen der Klimabewegung wichtig sind.
SRF News: Die Blockade in Lützerath ist gescheitert. War alles umsonst?
Luisa Neubauer: Die Braunkohle in Lützerath ist noch im Boden und sie wird auch noch ein paar Jahre im Boden bleiben, denn so schnell kommt man da gar nicht ran. Und bis dahin ist noch alles möglich.
Die Menschen dort haben geschafft, was Regierungen sich nicht getraut haben. Nämlich eine ganz klare Ansage an den Konzern RWE.
Wir haben gesehen, dass ein Dorf, das abgebaggert werden sollte, weltberühmt geworden ist. Bilder der Proteste waren auf Bildschirmen in japanischen Metros. Menschen haben geschafft, was Regierungen sich nicht getraut haben. Nämlich eine ganz klare Ansage an den Konzern RWE, an die fossile Zerstörung formuliert. Dort haben Menschen eine Grenze von Leben verteidigt. Das wäre der Job von Regierungen gewesen. Das haben sie nicht gemacht. Dort wurde eine mächtige Geschichte geschrieben, die auch noch weitergeht.
Deutschland setzt auf die klimaschädliche Braunkohle, weil sie aus der klimafreundlichen Atomenergie aussteigt. War das nicht eine Fehlentscheidung?
Deutschland setzt nicht auf die Braunkohle wegen des Atomausstiegs, sondern weil man es in den letzten 30 Jahren nicht geschafft hat, die eigenen Versprechen zu den erneuerbaren Energien einzuhalten.
Fossile Energien gefährden nicht nur Lebensgrundlagen, sie destabilisieren auch Demokratien.
Jetzt sind wir in einer fossilen Krise durch einen fossilen Krieg, bei dem die Botschaft eigentlich sehr klar ist: Fossile Energien gefährden nicht nur Lebensgrundlagen, sie destabilisieren auch Demokratien. Sie machen Demokratien wie die deutsche und viele andere auch sehr erpressbar. In Deutschland können wir die Energieversorgung sicherstellen, ganz ohne Atom und Kohle, sehr bald schon komplett mit erneuerbaren und anderen Technologien. Dahin muss es jetzt gehen.
Können Sie hier am WEF überhaupt etwas bewirken gegen den Klimawandel?
Ich bin nicht hierhergekommen, weil hier die Klimakrise gelöst wird. Genau hier kommen diejenigen zusammen, die durch ihre industriellen Aktivitäten wie auch ihre Investments hauptverantwortlich sind für die Klimakatastrophe. Genau ihretwegen sind wir hier und sprechen Seite an Seite mit der Wissenschaft darüber, dass die fossilen Industrien und deren Expansion gestoppt werden müssen.
Gibt es am WEF und in der Wirtschaft auch Dinge, die sie überzeugen?
Man sieht, dass das WEF selbst und die Teilnehmenden sehr gut ihre Vokabeln gelernt haben, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Die Rhetorik stimmt und wenn man nicht auf die Zahlen schauen würde, dann könnte man annehmen, dass die Welt eigentlich in Ordnung ist, weil ja alle unbedingt grüne Veränderung wollen.
Klimaaktivistinnen verschmieren Kunstwerke, halten den Verkehr auf. Fürchten Sie, dass die Bewegung Rückhalt in der Bevölkerung verliert?
Wir sehen, dass immer mehr Menschen begreifen: In der Klimakrise gibt es nicht diesen neutralen Ort, wo man an der Seitenlinie stehen kann und schauen kann, was da passiert. Eine Meinung reicht nicht. Es braucht eine Haltung und die muss sichtbar sein. Genau das machen viele Proteste möglich.
Ich finde es richtig, dass es sehr demonstrative Proteste gibt, die die Dringlichkeit der Lage deutlich machen. Und auf der anderen Seite auch Massenproteste wie «Fridays for Future» und Klimastreiks, die Mehrheiten auf die Strasse bringen.
Das Gespräch führte Sebastian Ramspeck.