Ein Shake für die erste Zyklusphase, ein Eisbad kurz vor der Menstruation und sämtliche Daten zur Periode bei der Trainerin auf dem Smartphone: So unverblümt offen wie bei der Schweizer Nati wird selten im Spitzensport über die Menstruation gesprochen.
In der Vorbereitung auf die Europameisterschaft 2022 zählt für die Fussballerinnen jedes Detail – und damit auch der Zyklus. «Wir sprechen über Training, Taktik und Ernährung – da ist es doch völlig normal, dass man auch über seine Menstruation spricht,» meint die Athletik-Trainerin Mélanie Pauli. Sie beschäftigt sich schon seit langer Zeit mit zyklusspezifischem Training und gilt als Koryphäe auf diesem Gebiet.
Fehlende Datenlage
Wie gross der Effekt des zyklusspezifischen Trainings tatsächlich ist, lässt sich wissenschaftlich noch nicht fundiert nachweisen. «Dies liegt mehrheitlich an den fehlenden Studien dazu», erklärt die Team-Ärztin Tanja Hetling. «Wir trainierten immer gleich wie die Männer, ohne den weiblichen Zyklus zu berücksichtigen.» Explizite Daten zum Frauensport würden erst seit wenigen Jahren gesammelt und seien deshalb noch in den Kinderschuhen.
Trotzdem, vieles hätte sich bewährt – die Coaches sähen die Erfolge, resümiert Mélanie Pauli: «Wir sehen bereits deutliche Fortschritte. Wenn wir auf konkrete Studien warten würden, wären wir in zehn Jahren noch nicht weiter.» Luana Bühler bestätigt den Fortschritt. Die Schweizer National-Spielerin sagt, dass sie dank des angepassten Trainings eine klare Leistungs-Steigerung spürt «in gewissen Zyklus-Phasen brauche ich mehr Regeneration, in anderen kann ich vor allem im Kraftbereich zusätzlich trainieren». Sie könne dadurch nicht nur effektiver trainieren, sondern verhindere auch Verletzungen.
Auch die Torhüterin des Nationalteams, Gaëlle Thalmann, bemerkt einen Einfluss des Zyklus auf ihre Leistung. Damit ist sie nicht allein: Laut einer Umfrage der BBC beeinflusst der Zyklus bei über 60 Prozent der Leistungssportlerinnen die Leistung. Thalmann unterstützt ihre Regeneration je nach Phase unterschiedlich – beispielsweise mit einem Eisbad, mehr Dehnübungen oder der angepassten Ernährung.
Messen ist entscheidend
Was kann eine Hobby-Sportlerin aus diesen Erkenntnissen mitnehmen? «Wichtig ist vor allem, dass man auf seinen Körper hört und beispielsweise ein Zyklus-Tagebuch führt. So wäre ersichtlich, in welchen Phasen man am besten trainiert und was sich für den Körper richtig anfühlt», sagt die Athletik-Trainerin Pauli, und weiter: «Denn jeder Zyklus ist individuell und entsprechend anzugehen.».
So weit wie die Schweizer Nati sind viele Clubs allerdings noch nicht. Dies liegt auch daran, dass es bei vielen Trainern noch Berührungsängste gibt. «Oft ist der Coach ein Mann und deshalb häufig mit diesen Fragen überfordert,» sagt Pauli.
Für die Athletik-Trainerin wäre ein grosser Schritt schon gemacht, wenn man einfach ohne Hemmungen über das Thema sprechen würde. «Mein Zyklus gehört zu mir, es ist absolut normal, darüber zu sprechen.»