Brille aufsetzen und los gehts! Medizinische Handlungen, welche bislang mit Büchern, Filmen und Übungen in Simulationslabs eingeübt wurden, sollen künftig mit Virtual-Reality-Lernmodulen einfacher und effizienter trainiert werden. In Ärztekreisen kennt man dies schon länger. Nun wird die Methode bald auch für nicht akademische Berufe im Gesundheitswesen zugänglich sein, denn auch Fachkräfte im OP, der Pflege oder auch in der Spitex sind prädestiniert, sich Fachwissen auf diese Weise anzutrainieren.
Am Drücker
Angi Pfister absolviert als erste Teilnehmerin in der Schweiz die Weiterbildung zur «Operationstechnischen Chirurgie Assistentin». Im Kantonsspital St. Gallen kann sie erstmals in ihrer künftigen Funktion an einer Hüftprothesen-Operation assistieren, bei der sie einige delegierte Aufgaben eines Assistenzarztes übernimmt. Voraussetzung dafür: Sie muss den Ablauf der OP exakt im Kopf haben. «Es ist das A und O, dass ich jeden Schritt des Operateurs genau kenne und ihm immer einen Schritt voraus bin, sodass unsere Kommunikation mehr oder weniger wortlos funktioniert.»
Für mich ist es eine ideale Vernetzung zwischen Theorie und Praxis.
Pfister konnte die Operation vor dem reellen Eingriff am Patienten eins zu eins etliche Male virtuell üben und dabei wertvolle Erfahrungen sammeln: «Für mich ist es eine ideale Vernetzung zwischen Theorie und Praxis.»
Die Zukunft
Expertin Laraine Redmond Möhle von der Firma Pixelmolkerei in Chur sieht darin die Zukunft des Lernens. «Bei dieser aktiven Lernmethode ist der ganze Körper im Einsatz. Dadurch wird unser Erinnerungsvermögen aktiv unterstützt, somit kann das Gelernte besser abgespeichert werden.»
Um den Lernerfolg zu messen, erarbeitete die Universität Imperial College in London eine Fachstudie anhand des in Chur entwickelten VR-Hüftprothesen-Operation-Trainings. Dabei wurden 24 angehende Chirurginnen und Chirurgen auf dem gleichen Wissensstand in zwei Gruppen aufgeteilt. Die erste Gruppe wurde konventionell mit Büchern, Videos, Lesungen und durch Zuschauen bei OPs geschult, die zweite konnte die Hüftoperation mit Virtual Reality trainieren, so oft sie wollte.
Voller Erfolg
Nach sechs Wochen zeigte sich bei einer Prüfungs-OP in einem Cadaver Lab, dass die Gruppe, die mit Virtual Reality geübt hatte, die OP zu 83 Prozent ohne oder nur mit minimaler Hilfe erfolgreich durchführen konnte – und das zweite Team, welches konventionell lernte, die OP nicht oder nur mit starker Unterstützung zu Ende brachte.
Der Spass- und Lernfaktor wäre garantiert.
Dieser Beweis überzeugt auch Franziska Bähler. Als Mitglied des Zentralvorstands des Schweizerischen Berufsverbandes der dipl. Fachfrauen/-männer Operationstechnik HF baut sie die neue Weiterbildung der «Operationstechnischen Chirurgie Assistentin» mit auf. Sie sieht in Virtual Reality ein grosses Potenzial für alle Berufe in der Gesundheitsbranche, auch im Grundstudium: «Ich denke, die jungen Menschen sind sehr interessiert an diesen modernen Lernmethoden. Sie können üben, dabei Fehler machen, sich sogar virtuell in Gruppen treffen. Der Spass- und Lernfaktor wäre garantiert.»
Der Berufsverband wird Virtual-Reality-Module als erster Anbieter der neuen Weiterbildung fix in den neuen Lehrgang integrieren. Bähler erhofft sich damit, den Beruf bzw. die Bildung attraktiver zu machen und damit auch etwas gegen den Fachkräftemangel in der Branche zu unternehmen.