1919, ein Jahr nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Landesstreik, sei auch für die Schweiz und die Zentralschweiz kein einfaches Jahr gewesen, sagt der Historiker Markus Furrer, Professor für Zeitgeschichte an der Pädagogischen Hochschule Luzern : «Es war zum Beispiel schwierig, eine gute Arbeitsstelle zu finden; auch die Schweiz litt unter einem enormen Kaufkraftverlust.»
Dennoch sei 1919 eine Art Aufbruchstimmung zu spüren gewesen: «Der Krieg hatte viele Veränderungen verhindert, deshalb bedeutete sein Ende auch ein Hoffnungsschimmer, zum Beispiel für Unternehmer oder Gründerinnen und Gründer von Vereinen und Organisationen.»
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Bild 1 von 8. Streikende Arbeiter versammeln sich während des Generalstreiks 1918 auf einem Platz in Bellinzona. Der Streik gilt als wichtigste gesellschaftspolitische Auseinandersetzung der Schweizer Zeitgeschichte. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 8. 250'000 Menschen legen vom 11. bis zum 14. November die Arbeit nieder. Sie streiken unter anderem für bessere Arbeitsbedingungen, eine Alters- und Invalidenrente und das Frauenstimmrecht. Bildquelle: Swiss Federal Archives.
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Bild 3 von 8. Der Bundesrat reagiert mit Härte und bot rund 100’000 Soldaten auf. Hier positionieren sich Truppen auf dem Waisenhausplatz in Bern. Bildquelle: Swiss Federal Archives.
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Bild 4 von 8. Die Armeeangehörigen sind mit Maschinengewehren und Handgranaten ausgerüstet. Bildquelle: Swiss Federal Archives.
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Bild 5 von 8. Auch das Bundeshaus wird militärisch besetzt. Am 13. November erlässt die Landesregierung an die Streikleitung ein Ultimatum. Daraufhin beschliesst das Aktionskomitee gegen eine Minderheit um Robert Grimm den Streikabbruch für den 14. November. Bildquelle: Swiss Federal Archives.
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Bild 6 von 8. Robert Grimm (1881-1958) ist eine zentrale Figur während des Streiks. Der sozialdemokratische Politiker der Schweizer Arbeiterbewegung spricht hier im Frühling 1912 von einem Balkon zu streikenden Arbeitern in Zürich. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 8. Eine Feldküche des Militärs während des Landesstreiks. Viele Menschen in der Schweiz haben zu dieser Zeit Mühe, sich zu ernähren. Und die Spanische Grippe grassiert. Auch dies sind Mitgründe für den Streik. Bildquelle: Swiss Federal Archives.
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Bild 8 von 8. In Erinnerung an den Generalstreik ist auf der Schützenmatt in Olten am 11. November 2008 eine Eisenplastik von Schang Hutter errichtet worden. Es ist das erste Denkmal in der Schweiz, welches an den Generalstreik erinnert. Bildquelle: Keystone.
Die Gründung der Viscosuisse-Stiftung zum Beispiel illustriere die Sozialpolitik der damaligen Zeit: «Die Schweiz war kein stark ausgebauter Sozialstaat, vor allem auf nationaler Ebene; deshalb waren Firmen sehr massgebend, die für ihre eigenen Arbeiter soziale Institutionen einrichteten.» Für die Wirtschaft generell sei die Situation eher schwierig gewesen; man spreche von einem «kleinen Strohfeuer einer Nachkriegskonjunktur».
Soziale Einrichtungen seien damals eher von privater Seite initiiert worden: «Die AHV beispielsweise wurde ja erst 1947/48 eingeführt.» Deshalb waren eigentlich private Institutionen wie die Pro Senectute damals von grosser Bedeutung.
«Gesellige Freizeitvereine»
Kein Zufall sei auch, dass in dieser Zeit Freizeitvereine wie der Veloclub Rothenburg oder der Alpenclub Gerliswil entstanden: «Die Freizeit nimmt tendenziell zu, durch weniger lange Arbeitszeiten, man suchte sich andere Beschäftigungen.» Diese seien damals typischerweise auch sehr gesellig geprägt gewesen.
Als Fazit zum Jahr 1919 sagt der Historiker Markus Furrer: «Eigentlich ist das eher eine Fussnote, ein Übergangsjahr zwischen Weltkrieg, Landesstreik und ausbrechender Depression 1921/22. Es ist ein Jahr, in dem zwar wegen des Krieges viele Verwüstungen zurückblieben, in dem aber auch Hoffnung auf eine bessere Zukunft aufkam.»
SRF 1, Regionaljournal Zentralschweiz, 17:30 Uhr