«Gehen Sie in den Wald und knüpfen Sie sich auf», liest Kilian Baumann der «Rundschau» aus einem anonymen Brief an ihn vor. Der Schreiber fordert, ein «Kopfgeld» auf den grünen Nationalrat auszusetzen. Wegen seiner Auftritte für ein Ja zur Trinkwasser-Initiative und zur Initiative Pestizidverbot wird der Biobauer zurzeit regelrecht mit Hass eingedeckt.
«Wir müssen uns schon fragen, wie es so weit kommen konnte», sagt Kilian Baumann und zeigt eine Reihe anonymer Zuschriften. «Dieser Abstimmungskampf ist demokratiepolitisch aus dem Ruder gelaufen», kritisiert Baumann. «Wir haben als Parlamentarier die Aufgabe, unsere Haltung zu solchen Initiativen zu vertreten. Wenn das nicht mehr geht, ist das eine Katastrophe.»
Beide Seiten klagen über Vandalismus
«Wir sind immer noch in der Schweiz. Ich hätte nie gedacht, dass wir so weit kommen», sagt auch Landwirt Samuel Häberli. Er steht politisch auf der anderen Seite und bekämpft die beiden Agrarinitiativen. Doch seit er sich im Abstimmungskampf engagiert, ist es auch bei ihm mit der Ruhe vorbei. Vandalen haben auf seinem Hof mitten in der Nacht seinen Anhänger mit 2-Mal-Nein-Plakaten angezündet.
«Ich habe immer gedacht, dass wir in der Schweiz eine bessere politische Kultur haben», so Häberli enttäuscht. Auch andere Landwirte in der Region Payerne (VD) leiden unter Vandalismus: Häberli zeigt das Foto einer Landmaschine – versprüht mit Polit-Propaganda der Ja-Seite und aufgeschlitzten Pneus. Der betroffene Landwirt will sich aus Angst nicht vor der Kamera äussern. «Das ist wirklich Extremismus», sagt Häberli zu den Vorgängen in der Region.
Heftiger Stadt-Land-Graben
«Die Stimmung auf dem Land ist vergiftet», stellt Jürg Vollmer fest. Er ist Chefredaktor der landwirtschaftlichen Zeitschrift «die grüne» und erklärter Gegner der beiden Initiativen. «Ich spüre einen sehr tiefen Stadt-Land-Graben», so Vollmer. Die urbane Bevölkerung verstehe die Landwirtschaft und die Landbewohner nicht mehr. So erklärt er sich die heftigen Emotionen im Abstimmungskampf. Es werde «lange dauern», bis diese Wunden wieder verheilt seien, so der Agrarjournalist.
«Beide Seiten kämpfen mit sehr viel Emotionen», sagt GLP-Präsident Jürg Grossen. «Es ist für mich unschweizerisch, dass man das so macht. Morddrohungen oder Pneus aufschlitzen, das gehört nicht zur Schweiz», kritisiert Grossen. Der GLP-Nationalrat unterstützt die Trinkwasser-Initiative und ruft beide Seiten zu mehr Fairness auf.
Kilian Baumann tritt nicht mehr auf
Kaum einer kriegt so viel Hass ab wie Kilian Baumann. Letzte Woche hatte er noch erklärt: «Aufgeben ist keine Option und wäre ein falsches Zeichen.» Doch nun hat der Biobauer und Nationalrat die Reissleine gezogen und alle weiteren Auftritte abgesagt. Die Begründung: Die Drohungen würden zunehmend heftiger und sich immer mehr auch gegen seine Familie richten.