Seit dem Kriegsende 1999 spielten die einstigen Kommandanten der Kosovo-«Befreiungsarmee» UCK eine dominante Rolle in Politik und Wirtschaft. Letzten Sommer kam dann der Paukenschlag: Das neue Sondergericht in Den Haag erhob Klage gegen eine ganze Reihe dieser mächtigen Männer, darunter Staatspräsident Hashim Thaçi. Er trat zurück und ist seither in Haft.
Damit seien die Angeklagten ex-UCK-Kommandanten nicht mehr Teil der Politik, sagt Shpetim Gashi, Vizepräsident des Council for Inclusive Governance, einer NGO in Pristina. «Sie sind weg, auch wenn sie nicht verurteilt werden sollten. Die Prozesse werden Jahre dauern. Wenn sie zurückkehren, werden sie die politische Landschaft nicht wiedererkennen.»
Der Sondergerichtshof wurde auf internationalen Druck hin eingerichtet, um die Verbrechen während und kurz nach dem Krieg abzuurteilen. Dies, weil die ordentliche Justiz Kosovos dazu nicht fähig war. Die Richter und Ankläger am neuen Gericht sind international, arbeiten aber nach kosovarischen Gesetzen.
«20 Jahre nach den Verbrechen hoffen wir, dass das Gericht zumindest einem Teil der Opfer Gerechtigkeit bringt», sagt Bekim Blakaj vom Zentrum für Menschenrechte in Pristina. «Die Staatsanwälte in Den Haag haben gegen vier Jahre lang ihre Anklagen vorbereiten können. Wir glauben, dass sie ihr Bestes gegeben haben», sagt Blakaj. Anders sieht das Nasim Haradinaj, Vizechef des UKC-Veteranenverbands: Das Gericht sei politisch, selektiv und einseitig.
Schlecht für internationale Anerkennung
Die Sorgen des Veteranenvertreters, der selbst in Den Haag angeklagt ist, teilen viele Leute in Kosovo, dass nämlich Urteile wegen Kriegsverbrechen das Image des kosovarischen Unabhängigkeitskampfs beschädigen könnten und dass dies schlecht wäre für Kosovo, weil seine Unabhängigkeit noch immer von zahlreichen Staaten nicht anerkannt wird. Aus diesem Grund steht eine Mehrheit der Bevölkerung dem Gericht sehr skeptisch gegenüber.
Trotzdem gab es keinen Sturm der Entrüstung, als gegen Thaçi und die anderen Männer Anklage erhoben wurde. Die Leute stellten sich nicht protestierend vor die einstigen Kriegshelden. Der Grund liegt darin, dass sich die UCK-Kommandanten seit dem Krieg schamlos bereichert haben.
Das wird sich auch bei den Wahlen am Wochenende zeigen. «Die Parteien der ehemaligen UCK-Kommandanten werden schlecht abschneiden», erklärt Gashi vom «Council for Inclusive Governance». «Nicht weil die Chefs wegen Kriegsverbrechen angeklagt sind, sondern weil die Leute aus anderen Gründen von ihnen enttäuscht sind. 20 Jahre waren sie an der Macht und wurden immer reicher. Die Leute haben genug von der Korruption.»
Abstrafung für schamlose Bereicherung
Der Sondergerichtshof beschleunige einen Prozess, der schon vorher angelaufen sei, sagt Gashi. Die Oppositionspartei Lëvizja Vetëvendosje des aufmüpfigen Politikers Albin Kurti gewann schon die letzten Wahlen. Sie steht für den Kampf gegen Korruption und für einen Generationenwechsel.
Dass nun die mächtigen Konkurrenten aus der Politik entfernt wurden und hinter Gitter sitzen, beschleunigt ihren Erfolg. Sogar eine absolute Mehrheit liegt in Griffnähe. Die Ironie der Geschichte: Kurtis Partei war immer gegen das Gericht in Den Haag: Der Name der Partei bedeutet «Selbstbestimmung».