Einer, der den jordanischen König gut kennt, ist Fayez Tarawneh. Er war jahrelang Chef des Königlichen Hofes und der letzte Premierminister, der unter König Hussein diente, dem Vater von König Abdullah. Am 7. Februar 1999 verstarb König Hussein. Auf ihn folgte jedoch nicht sein Bruder Hassan, der langjährige Kronprinz, sondern überraschend König Husseins Sohn Abdullah.
Selbst Tarawneh kannte ihn kaum. Nur drei-, viermal habe er ihn getroffen, bevor er König geworden sei. Dass König Hussein seinen Sohn Abdullah jahrelang heimlich als Nachfolger aufgebaut hatte, wusste Tarawneh nicht.
Wie ein «Jumbojet» gestartet
Er habe gestaunt, wie schnell sich der ranghohe Berufsoffizier der jordanischen Armee in seiner neuen Rolle als König zurechtgefunden habe. Wie ein «Jumbojet» sei der neue König gestartet, indem er sich dem jordanischen Volk und der Weltöffentlichkeit vorgestellt habe.
Seine erste Bewährungsprobe waren die Terroranschläge von 2001, verübt von Islamisten. Abdullah II. habe sich in dieser Krise profiliert, sagt Tarawneh.
Als Haschemit, einem Nachkommen des Propheten Mohammed, vertrete der König einen moderaten und menschlichen Islam. Gleichzeitig habe er gegen islamistischen Terror gekämpft: 2005 hatte Al Kaida Anschläge auf drei Hotels in der Hauptstadt Amman verübt, 57 Menschen starben. Selten sei das Volk geeinter zusammengestanden, erinnert sich der ehemalige Premierminister.
Und das, obwohl Jordanierinnen und Jordanier sich ständig über ihre Regierung beschwerten: «Jordanier verfluchen alles, aber im Krisenfall sind sie eins», sagt Tarawneh. Das zeige sich auch in der Coronakrise. «Jetzt seid ihr alle Soldaten für dieses Land, jeder an seinem Platz», sagte Abdullah.
Auf diesen Zusammenhalt ist eine Mehrheit der Bevölkerung stolz, obwohl sie seit bald zwei Monaten unter den harschen Massnahmen leidet. Dazu gehören Ausgangssperren und bis vor wenigen Tagen ein fast kompletter Lockdown der Wirtschaft. Die Armee ist auf den Strassen präsent. Wer gegen die Massnahmen verstösst, muss mit einer Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr rechnen. Kritik an der Armee oder der Polizei gibt es jedoch kaum.
Proteste nicht niedergeschlagen
«Jordanien ist wohl das einzige Land in der Region, in dem die Leute froh sind, wenn sie die Armee in den Strassen sehen», sagt Tarawneh. Der Grund dafür ist nicht nur, dass rund 200'000 Familien direkt von Militärsalären leben. Es liege auch daran, dass Abdullah Proteste nicht brutal niederschlagen lasse wie andere Herrscher in der Region. Tarawneh erwähnt als Beispiel der Umgang des Königs mit Protesten, die im Zuge des Arabischen Frühlings aufflammten.
Der König habe gesagt: «Lasst sie demonstrieren, und wenn ihr jemanden tötet, dann soll seine Familie finanziell bis an ihr Lebensende unterstützt werden.» Mit Kritik ging Abdullah anders um: Er veranlasste einige Reformen.
Krise wird zur Bewährungsprobe
Die Coronakrise könnte allerdings zur existentiellen Krise werden: Das grösste Problem sei es für das Land, weiterhin die Löhne bezahlen zu können. Zudem seien die Steuereinnahmen eingebrochen, weil die Regierung der Wirtschaft Steueraufschub gewährt hat. Das Haushaltsdefizit werde enorm sein.
Kritik am König steht in Jordanien zwar unter Strafe. Im Vergleich zu anderen Staaten in der Region ist die Repression jedoch deutlich geringer.