Nase zu und durch: In London haben Diebe einen Käsehändler um mehr als 22 Tonnen Cheddar erleichtert. Was klingt wie der neueste Coup der Cartoon-Mäuse «Pinky und der Brain», riecht in Tat und Wahrheit verdächtig nach organisierter Kriminalität.
Denn der edle Käse hatte einen Wert von umgerechnet 340'000 Franken, wie die Geschäftsführerin von Neal’s Yard Dairy mitteilt. «Ich bin geschockt, wütend und beschämt, dass uns das passieren konnte.»
Der Fall macht Schlagzeilen weit über das Vereinigte Königreich hinaus: Die «New York Times» berichtet, ebenso wie der deutsche «Spiegel» und die französische «Figaro». Und nicht nur Scotland Yard ist den Dieben auf den Fersen.
Auch Jamie Oliver hat sich nach der «Great Cheese Robbery» eingeschaltet. «Einige der besten Cheddarkäse der Welt wurden gestohlen», empört sich der britische Starkoch, und ruft seine Landsleute auf, «wachsam zu sein, wenn euch grosse Mengen Cheddar angeboten werden.»
Der Premium-Käse könnte allerdings bereits ins Ausland geschafft worden sein. Die «Times» mutmasst, dass die russische Mafia hinter dem Käseklau stecken könnte. Aufgrund der Sanktionen gibt es in Russland einen florierenden Schwarzmarkt für europäische Delikatessen, der Appetit ist gross.
Die «Käsemafia» ist überall
Mit gestohlenem Käse werden in ganz Europa Geschäfte gemacht. Schon lange sorgt die «Gouda-Mafia» in den Niederlanden für Aufsehen. Vor einigen Jahren erbeutete eine italienische Bande Parmesan im Wert von 700'000 Euro; in Norddeutschland fuhren Kriminelle erst im August mit einem Sattelschlepper voll Käse davon – sie wurden noch auf der Autobahn geschnappt.
Auch in der Schweiz schlugen die Betrüger schon zu. Vor vier Jahren versandte der Freiburger Milchverarbeiter Cremo 32 Tonnen Emmentaler und Gruyère nach London. Im Glauben daran, eine langfristige Partnerschaft mit dem Luxus-Warenhaus Harrod’s einzugehen. Die Bestellung stammte von Cyberkriminellen, der Käse ward nie mehr gesehen.
Der Fall zeigt: In Sachen Food Crime ist die Schweiz keine Insel der Glückseligen. Auch hier versuchen organisierte Banden, Lebensmittel von zweifelhaftem Ursprung oder Qualität unter die Leute zu bringen. Josianne Walpen vom Schweizer Konsumentenschutz warnt, dass so auch gesundheitsschädigende Produkte in den Verkauf geraten können.
Food Crime ist ein Milliardengeschäft. Hochpreisige Lebensmittel sind begehrt, und gerade edler Käse gilt als lukrative Beute. Kein Wunder, verschwinden ganze Lastwagenladungen in der Unterwelt. Dazu kommen Fälschungen: Billiger Rotwein wird als Luxusware deklariert oder Früchte und Gemüse fälschlicherweise als Bio verkauft.
Ob Käse gestohlen wurde oder direkt aus der Molkerei kommt, können auch die feinsinnigsten Spürhunde nicht erschnuppern. Die meisten Menschen dürften schon daran scheitern, natives von gepanschtem Olivenöl zu unterscheiden. «Deswegen sind wir auf gute und verlässliche Kontrollen der Lebensmittelbehörden angewiesen», sagt Walpen.
Es ist also durchaus möglich, dass auch bei uns Unappetitliches auf die Teller kommt. Oder, wenn man Glück hat, edler Cheddar auf dem Burger landet.
Die gute Nachricht: Die Betrüger haben Interesse daran, dass «ihre» Produkte auch konsumiert werden. Die Gesundheitsbehörden mit verdorbener Ware auf sich aufmerksam zu machen, ist wenig ratsam.
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Podcast News Plus: Reena Thelly (Moderation) und Marisa Eggli (Produktion).