- Erstmals seit der Machtübernahme der Taliban vor drei Jahren hat Deutschland wieder afghanische Staatsangehörige in ihr Herkunftsland abgeschoben.
- Alle Betroffenen sind Männer. Im Flugzeug sassen 28 afghanische Straftäter, die aus verschiedenen Bundesländern nach Leipzig gebracht worden waren.
- Vom Flughafen Leipzig/Halle flog dann die Chartermaschine der Qatar Airways nach Kabul ab.
«Es handelte sich hierbei um afghanische Staatsangehörige, die sämtlich verurteilte Straftäter waren, die kein Bleiberecht in Deutschland hatten und gegen die Ausweisungsverfügungen vorlagen», sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Zuvor hatte der «Spiegel» berichtet.
Organisiert worden sei die Aktion federführend vom Bundesinnenministerium. Verurteilte Straftäter sollen nach früheren Angaben vor einer möglichen Abschiebung einen Grossteil ihrer Strafe hierzulande abgesessen haben.
Deutschland unterhält zu den Taliban-Machthabern in Kabul keine diplomatischen Beziehungen. Nach dem tödlichen Messerangriff von Mannheim Ende Mai hatte Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen und terroristischen Gefährdern nach Afghanistan und auch Syrien wieder zu ermöglichen.
Der Abschiebeflug startete nun zwar nur wenige Tage nach dem mutmasslich islamistisch motivierten tödlichen Messerattentat von Solingen, hat aber einen deutlich längeren Vorlauf, hiess es aus Behördenkreisen. Der «Spiegel» schrieb von zwei Monaten.
Recht sieht Ausschlussgründe für Schutz in Deutschland vor
Unter den Abgeschobenen sollen auch Gefährder sein, also Menschen, denen die Sicherheitsbehörden schwerste politisch motivierte Straftaten bis hin zum Anschlag zutrauen. Es ist denkbar, dass manche der abgeschobenen Straftäter zugleich als Gefährder gelten.
Insbesondere die Grünen und auch ihre die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock hatten sich bislang skeptisch gezeigt bei Abschiebungen nach Afghanistan und davor gewarnt, die islamistische Taliban-Regierung indirekt anzuerkennen.
Baerbock hatte aber am Dienstag im RBB-Inforadio auch gesagt, bereits jetzt seien Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan vereinzelt machbar. «In Einzelfällen ist das dort möglich», sagte sie. Es sei angesichts der dort herrschenden Regimes aber «offensichtlich nicht trivial». Es sei zudem bereits Rechtslage, dass Straftäter und Gefährder keinen Schutzstatus bekämen oder ihn dann verlören und weggesperrt gehörten.
Das Asylrecht sieht Ausschlussgründe für Schutz in Deutschland vor, zum Beispiel Kriegsverbrechen. Die «Ampel»-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat sich in ihrem «Sicherheitspaket» vorgenommen, diese Liste zu erweitern, unter anderem um antisemitische Straftaten.
Wenig Rechte für Frauen in Afghanistan
Seit August 2021 sind in Afghanistan wieder die islamistischen Taliban an der Macht, die international vor allem wegen ihrer massiven Beschneidung von Frauenrechten in Kritik stehen. Insgesamt ist es seit der erneuten Machtübernahme der Taliban zu einem deutlichen Rückgang der bewaffneten Auseinandersetzungen in dem Land gekommen, auch wenn es nach wie vor zu Anschlägen kommt. Die meisten reklamiert die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) für sich, die mit den Taliban trotz ideologischer Nähe verfeindet ist.
Kritiker bemängeln unter der Taliban-Herrschaft ein hartes Vorgehen gegen Menschenrechtler, Demonstranten oder Journalisten, denen laut Menschenrechtsorganisationen Verhaftung oder Folter drohen.