Am 5. September 1972 starben 17 Personen bei einem Terroranschlag auf die Olympischen Spiele in München, darunter elf Angehörige der israelischen Delegation. Gisela Dachs, freie Journalistin aus Tel Aviv, gibt Auskunft darüber, wie man in Israel auf dieses tragische Ereignis zurückblickt.
SRF News: Inwiefern ist das Attentat vor 50 Jahren heute ein Thema in Israel?
Gisela Dachs: Das ist schon ein grosses Thema. Ich würde sagen, in Deutschland erinnert man sich gerne an die ersten heiteren Spielen der neuen Bundesrepublik. In Israel sieht man, dass 1972, 36 Jahre nach den Spielen unter Hitler, wieder negativ konnotierte Olympische Spiele in Deutschland stattfanden. Bei diesen wurden Juden ermordet, da die Polizei und Sicherheit versagt hatten.
Erst vor wenigen Tagen hat sich Deutschland mit den Hinterbliebenen des Attentats auf eine Entschädigung geeinigt. Diese erhalten 28 Millionen Euro. Wie wird das in Israel diskutiert, respektive was hat das ausgelöst?
Besser spät als nie, wird man in Israel wohl denken. Es gab nie eine richtige Entschuldigung dafür, es gab kaum Entschädigungen und die wurden nun hochgerechnet. Trotzdem steht vor allem die Aufarbeitung im Zentrum. Dafür setzt man jetzt auch eine deutsch-israelische Historikerkommission ein, die sich die gesamten Akten anschaut, um zu überprüfen, was damals alles schiefgegangen ist.
Inwiefern belastet dieses Attentat und der Umgang Deutschlands damit die deutsch-israelischen Beziehungen noch heute?
Ich glaube, da muss man die deutsch-israelischen Beziehungen im Gesamtkontext sehen. Es war ein sehr langer Weg der Annäherung nach dem Holocaust, mit sehr vielen Höhen und Tiefen. München war hier ein Tiefpunkt, wenn nicht der Tiefpunkt überhaupt. Aber es gab seither eine sehr lange Kooperation, Annäherung und bilaterale Konsultationen auf hoher Ebene. Der Besuch von Israels Staatspräsident Jitzchak Herzog in München anlässlich der Gedenkfeier verdeutlicht dies. Sowohl Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als auch Herzog haben während des Besuchs die engen, stabilen Beziehungen betont.
Israeli haben heute ein immer positiveres Deutschlandbild, während umgekehrt in Deutschland das Bild Israels bei der Bevölkerung nicht so gut ist.
Der Präsident Israels hat sich mit Frank-Walter Steinmeier getroffen und wird auch mit Olaf Scholz sprechen. Das ist ein grosser Staatsbesuch. Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Israel und Deutschland heute, im Jahr 2022?
Nach so vielen Jahren sind die Beziehungen auf offizieller Ebene hervorragend, gewisse Meinungsverschiedenheiten sind normal. Auf der anderen Seite gibt es eine Asymmetrie, die sich in den letzten Jahren eher verfestigt hat. Es ist nämlich so, dass Israelis heute ein immer positiveres Deutschlandbild haben, während umgekehrt in Deutschland das Bild Israels bei der Bevölkerung nicht so gut ist. Das hat damit zu tun, dass die deutsche Bevölkerung auf Israel im Zusammenhang des Nahostkonflikts schaut. Während man in Israel den Wandel Deutschlands in den vergangenen Jahrzehnten betrachtet.
Deutschland ist ein Land, mit dem man gute Geschäfte macht und auch gerne mal in die Ferien hinfährt. Da kann man eine grosse Asymmetrie vorfinden und man muss zusehen, in welche Richtung die Beziehungen sich künftig entwickeln. Herzog und Steinmeier haben dies angesprochen. Man spricht von Kooperationen bei Technologien, der Ökologie und der Sicherheit. Die beiden Länder wollen nicht nur eine gemeinsame Vergangenheit, auch eine gemeinsame Zukunft soll angestrebt werden.
Das Gespräch führte Susanne Stöckl.