Elon Musk plädierte jüngst bei einer Veranstaltung in Italien für eine Freihandelszone zwischen den Vereinigten Staaten und Europa – und schien damit diametral den Wünschen des Weissen Hauses zu widersprechen.
Kurz darauf legte Musk nach und attackierte Peter Navarro, Donald Trumps Handelsberater und Architekt der US-Zölle. Navarro sei ein «Vollidiot» und «dümmer als ein Sack Steine», schrieb Musk, nachdem Navarro Tesla für die Produktion von Fahrzeugen im Ausland kritisiert hatte. Dieser Zwist innerhalb der Trump-Administration zum Thema Handel mag auf den ersten Blick erstaunen. Auf den zweiten jedoch keinesfalls.
Über 300 Handlungsempfehlungen – nur zwei zum Thema Handel
Hinweise darauf finden sich im «Project 2025», das als Leitfaden der Trump-Administration gilt. Die Zeitschrift «Politico» führte im Februar bereits 37 präsidentielle Dekrete auf, bei denen sich eine direkte Linie zum konservativen Grundsatzwerk ziehen lässt. Eine unabhängige Website kommt zum Schluss, dass bereits 47 Prozent des konservativen Leitfadens umgesetzt wurden.
Doch nicht überall scheint das Weisse Haus den Handlungsempfehlungen im Project 2025 zu folgen. Nirgends wird das so deutlich wie beim Thema Zölle. Zwar kommt das Wort «Tariff» (dt. «Zoll») im Dokument über 100-mal vor. Der «Project 2025 Tracker» listet allerdings nur zwei konkrete Handlungsanweisungen – beide weit entfernt vom Ausmass der jüngsten Zollankündigungen Trumps.
Stattdessen ist das Kapitel zu Handel eine der wenigen Passagen im Projekt 2025, in denen zwei unterschiedliche Sichtweisen gegenübergestellt werden. Auf den Beitrag von Hardliner Peter Navarro folgt nämlich die Replik eines gemässigten Konservativen, der sich nicht für weniger, sondern für mehr Freihandel ausspricht.
Zwei diametral unterschiedliche Blicke auf den Freihandel
Die Welt und allen voran China würden die USA ausnützen, schreibt Navarro in seinem Aufsatz («The Case for Fair Trade») im Project 2025. Aus diesem Grund müssten alte wirtschaftspolitische Gewissheiten über Bord geworfen werden.
Amerika wird täglich auf dem Weltmarkt geschröpft.
Im Visier Navarros: Das Handelsdefizit der USA. Dieses sei gleich aus mehreren Gründen negativ: Einerseits bedrohe es die nationale Sicherheit, andererseits verhindere es Wachstum. Erst, wenn wieder mehr Orangen aus Florida, Wein aus Kalifornien, Käse aus Wisconsin oder Harley-Davidson-Motorräder exportiert würden, könne der Wachstumsmotor wieder anspringen. Stattdessen werde Amerika «täglich auf dem Weltmarkt geschröpft», von einem «räuberischen kommunistischen China» und einer «unfairen WTO», schreibt Navarro.
Die Replik auf Navarro im Project 2025 stammt von Kent Lassmann («The Case for Free Trade» (dt. «Argumente für Freihandel»)). Für den CEO eines libertären Think-Tanks ist klar: Die US-Wirtschaft florierte unter dem bisherigen Handelssystem.
Der Freihandel hat Amerika zur führenden Wirtschaft der Welt gemacht.
Zwar erkennt auch Lassman Schwächen in der US-Volkswirtschaft – etwa in der Deindustrialisierung. Zölle sind für ihn jedoch ein Hindernis, das abgebaut werden müsse. Am Schluss seines Beitrages schreibt er: «Der Freihandel hat Amerika zur führenden Wirtschaft der Welt gemacht.»
In Handelsfragen neigte Donald Trump bislang eher der Sichtweise Peter Navarros zu. Dass er nur wenige Tage nach seinem Zollhammer eine Kehrtwende vollzog, dürfte ein Indiz dafür sein, dass hinter den Kulissen der Kampf um die wirtschaftspolitische Deutungshoheit in vollem Gange ist.