Zum Inhalt springen

80 Tage Trump 2.0 Zoll-Zwist im Weissen Haus? Das Project 2025 liefert Hinweise

Ein Zwist zwischen Trump-Beratern wirft ein Licht auf eine ideologische Bruchlinie, die schon im Project 2025 vorkommt.

Elon Musk plädierte jüngst bei einer Veranstaltung in Italien für eine Freihandelszone zwischen den Vereinigten Staaten und Europa – und schien damit diametral den Wünschen des Weissen Hauses zu widersprechen.

Kurz darauf legte Musk nach und attackierte Peter Navarro, Donald Trumps Handelsberater und Architekt der US-Zölle. Navarro sei ein «Vollidiot» und «dümmer als ein Sack Steine», schrieb Musk, nachdem Navarro Tesla für die Produktion von Fahrzeugen im Ausland kritisiert hatte. Dieser Zwist innerhalb der Trump-Administration zum Thema Handel mag auf den ersten Blick erstaunen. Auf den zweiten jedoch keinesfalls.

Über 300 Handlungsempfehlungen – nur zwei zum Thema Handel

Hinweise darauf finden sich im «Project 2025», das als Leitfaden der Trump-Administration gilt. Die Zeitschrift «Politico» führte im Februar bereits 37 präsidentielle Dekrete auf, bei denen sich eine direkte Linie zum konservativen Grundsatzwerk ziehen lässt. Eine unabhängige Website kommt zum Schluss, dass bereits 47 Prozent des konservativen Leitfadens umgesetzt wurden.

Der «Project 2025 Tracker»

Box aufklappen Box zuklappen

Hinter der Website mit dem Namen «Project 2025 Tracker» steht eine freie Journalistin. Sie hat das Project 2025 laut eigenen Aussagen in seiner Gänze durchgelesen, die darin enthaltenen Forderungen zusammengefasst und dann aktuellen Entscheidungen der Administration Trump gegenübergestellt.

Eine Stichprobe zeigt allerdings: Zuweilen sind die im Project 2025 enthaltenen Handlungsempfehlungen stark abgekürzt oder zugespitzt formuliert. So listet der Tracker etwa die Abschaffung von Regulierungen im Bereich Kryptowährungen als Ziel auf. Die Forderung lässt sich im Project 2025 aber nicht finden. Stattdessen ist an manchen Stellen gar von mehr Regulierung die Rede.

Doch nicht überall scheint das Weisse Haus den Handlungsempfehlungen im Project 2025 zu folgen. Nirgends wird das so deutlich wie beim Thema Zölle. Zwar kommt das Wort «Tariff» (dt. «Zoll») im Dokument über 100-mal vor. Der «Project 2025 Tracker» listet allerdings nur zwei konkrete Handlungsanweisungen – beide weit entfernt vom Ausmass der jüngsten Zollankündigungen Trumps.

Donald Trump hält an Tisch sitzend unterschriebenes Dokument in die Höhe.
Legende: Am 2. April, den Donald Trump selbst als «Tag der Befreiung» bezeichnete, erklärte er, dass die von ihm verhängten Zölle zur Reindustrialisierung der USA beitragen sollen. IMAGO / ZUMA Press Wire

Stattdessen ist das Kapitel zu Handel eine der wenigen Passagen im Projekt 2025, in denen zwei unterschiedliche Sichtweisen gegenübergestellt werden. Auf den Beitrag von Hardliner Peter Navarro folgt nämlich die Replik eines gemässigten Konservativen, der sich nicht für weniger, sondern für mehr Freihandel ausspricht.

Zwei diametral unterschiedliche Blicke auf den Freihandel

Die Welt und allen voran China würden die USA ausnützen, schreibt Navarro in seinem Aufsatz («The Case for Fair Trade») im Project 2025. Aus diesem Grund müssten alte wirtschaftspolitische Gewissheiten über Bord geworfen werden.

Amerika wird täglich auf dem Weltmarkt geschröpft.
Autor: Peter Navarro Handelsberater von US-Präsident Donald Trump

Im Visier Navarros: Das Handelsdefizit der USA. Dieses sei gleich aus mehreren Gründen negativ: Einerseits bedrohe es die nationale Sicherheit, andererseits verhindere es Wachstum. Erst, wenn wieder mehr Orangen aus Florida, Wein aus Kalifornien, Käse aus Wisconsin oder Harley-Davidson-Motorräder exportiert würden, könne der Wachstumsmotor wieder anspringen. Stattdessen werde Amerika «täglich auf dem Weltmarkt geschröpft», von einem «räuberischen kommunistischen China» und einer «unfairen WTO», schreibt Navarro.

Ein Verfechter des ökonomischen Nationalismus

Box aufklappen Box zuklappen
Älterer Mann im Anzug gestikuliert im Freien.
Legende: REUTERS / Evelyn Hockstein

Peter Navarro studierte an der Tufts University sowie an der Harvard University, wo er 1986 promovierte. Anschliessend arbeitete er als Professor für Wirtschaft und öffentliche Ordnung und veröffentlichte zahlreiche Bücher über Handels- und Wirtschaftspolitik, wobei er sich früh als Kritiker Chinas einen Namen machte.

Bereits während Trumps erster Amtszeit arbeitete Navarro für den Republikaner im Weissen Haus. Er diente als Wirtschaftsberater und war später auch in die Pandemiebekämpfung eingebunden.

Nach Trumps Wahlniederlage weigerte sich Navarro, Dokumente herauszugeben und vor einem Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses zum Angriff auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 auszusagen.

Das brachte ihm eine viermonatige Haftstrafe ein. Geschworene befanden Navarro wegen Missachtung des US-Kongresses für schuldig. Navarro sass die Haftstrafe in einem Gefängnis in Miami im US-Bundesstaat Florida ab. Damit war er der erste nahe Trump-Vertraute, der im Kontext des Kapitol-Sturms tatsächlich eine Haftstrafe verbüsste.

Nur Stunden nach seiner Freilassung sprach Navarro auf dem Parteitag der Republikaner in Milwaukee. (DPA)

Die Replik auf Navarro im Project 2025 stammt von Kent Lassmann («The Case for Free Trade» (dt. «Argumente für Freihandel»)). Für den CEO eines libertären Think-Tanks ist klar: Die US-Wirtschaft florierte unter dem bisherigen Handelssystem.

Der Freihandel hat Amerika zur führenden Wirtschaft der Welt gemacht.
Autor: Kent Lassman Think-Tank

Zwar erkennt auch Lassman Schwächen in der US-Volkswirtschaft – etwa in der Deindustrialisierung. Zölle sind für ihn jedoch ein Hindernis, das abgebaut werden müsse. Am Schluss seines Beitrages schreibt er: «Der Freihandel hat Amerika zur führenden Wirtschaft der Welt gemacht.»

In Handelsfragen neigte Donald Trump bislang eher der Sichtweise Peter Navarros zu. Dass er nur wenige Tage nach seinem Zollhammer eine Kehrtwende vollzog, dürfte ein Indiz dafür sein, dass hinter den Kulissen der Kampf um die wirtschaftspolitische Deutungshoheit in vollem Gange ist.

Dokumente zum Nachlesen

Diskutieren Sie mit:

Tagesschau, 10.4.2025, 19:30 Uhr; sten

Meistgelesene Artikel