Der US-Bondmarkt ist der grösste Markt, viel grösser als der Aktienmarkt – und der flüssigste. Auf diesem Markt spielte sich in den letzten Stunden vor Trumps Zollstopp Dramatisches ab, wie Christian Gattiker von der Bank Julius Bär erläutert.
«Am Mittwoch hat man erstmals einen deutlichen Anstieg der Zinsen gesehen, was sehr ungewöhnlich ist, wenn es Rezessionsängste gibt. Das war ein Zeichen dafür, dass etwas ausser Kontrolle geriet», sagt Gattiker.
Vertrauenskrise im «sicheren Hafen»
Der Mechanismus ist folgender: Anleger kaufen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eigentlich sichere Staatsanleihen, weil sie davon ausgehen, dass sie langfristig ihr Geld plus Zinsen zurückbekommen.
Wenn in einer solchen Krise diese vermeintlich sicheren US-Staatsanleihen anfangen zu schwächeln, ist das ein Zeichen dafür, dass irgendetwas schiefläuft.
US-Staatsanleihen gelten normalerweise als sicher, werden in Krisen also gekauft und nicht verkauft. «Gerade die lange laufenden zehnjährigen US-Staatsanleihen gelten in der globalen Wahrnehmung als sichere Bank», sagt Gattiker. Wenn es ausgerechnet hier Verluste gebe, werfe dies unweigerlich Fragen auf.
Geschieht dies in Zeiten, da beispielsweise die Inflationsaussichten gut sind, wiegen solche Verluste weniger schwer. «Aber wenn in einer solchen Krise die vermeintlich sicheren Papiere anfangen zu schwächeln, ist das ein Zeichen dafür, dass irgendetwas schiefläuft», erklärt der Ökonom.
Dazu fielen die Preise für Gold, Öl, Aktien und auch den Dollar – eine Negativspirale kam in Gang, die immer weiter um sich griff. «Zuerst waren die amerikanischen Aktienmärkte betroffen, dann hat es sich international fortgepflanzt und am Schluss waren auch die vermeintlich sicheren Häfen betroffen», so Gattiker. «In den Märkten generell wären die Ängste gross geworden, dass man in eine Kernschmelze hineinläuft.»
«Höchste Obacht» ist geboten
Eine solche Kernschmelze wäre eine Wirtschaftskrise von historischem Ausmass, ausgehend vom Markt der Staatsanleihen, dem Herzstück der Finanzmärkte.
Wenn im Anleihenmarkt etwas passieren sollte, sei «höchste Obacht» geboten, sagt Gattiker. Und genau das haben die Märkte bis am Mittwoch mit ihren Sinkflügen signalisiert. Aber der Schaden sei angerichtet, sagt Gattiker. «Die Amerikaner als führende Wirtschaftsmacht haben grosse Fragezeichen gesetzt, wie berechenbar und vertrauenswürdig sie noch sind. Hier wurde kurzfristig sehr viel Kredit verspielt.»
Dieses Vertrauen gelte es nun zurückzugewinnen. Wie das gelingen soll, ist offen. Sicher nicht, indem in 90 Tagen, also nach der angekündigten Pause, die Zölle doch noch erhoben werden. «Diesen Hasen kann man zwar noch einmal aus dem Hut zaubern», sagt Gattiker. «Ich glaube aber nicht, dass es in dieser Schärfe glaubhaft durchgezogen werden kann.»
Hoffen auf Trumps Einsicht
Teil des verspielten Kredits ist für Gattiker auch, dass die Drohgebärden aus Washington künftig weniger ernst genommen würden. «Schliesslich weiss man, dass man zurückrudern muss, wenn die Finanzmärkte entsprechend reagieren.»
Trump, so sagen es Expertinnen und Experten längst, schadet der amerikanischen Wirtschaft mit seinen Zolldrohungen mehr als er ihr nützt. Die Hoffnung ist, dass er das nun verstanden hat.