- 1938 hatten die Nationalsozialisten in der Nacht vom 9. auf den 10. November im ganzen Deutschen Reich eine Gewaltwelle gegen Juden begonnen.
- Die sogenannte Pogromnacht mündete schliesslich im Holocaust, der systematischen Ermordung von sechs Millionen Juden in ganz Europa.
- Der 85. Jahrestag steht im Zeichen einer neuen Welle antisemitischer Vorfälle in Deutschland nach dem Kriegsausbruch im Nahen Osten.
Ausgrenzung treffe Jüdinnen und Juden seit Jahrhunderten besonders und trotz des Zivilisationsbruchs des Holocausts auch heute noch, sagte Scholz bei einer Gedenkfeier des Zentralrats der Juden in der Berliner Synagoge Beth Zion. «Das ist eine Schande. Mich empört und beschämt das zutiefst.»
Auf die Synagoge Beth Zion wurde wenige Tage nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel ein Brandanschlag versucht. Die Gedenkfeier fand daher auch unter massiven Sicherheitsvorkehrungen statt. Strassen wurden abgesperrt, die Polizei war mit Scharfschützen und gepanzerten Wagen vor Ort.
Wir wollen frei leben in Deutschland, in unserem Land.
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, würdigte zwar, dass heute anders als vor 85 Jahren jüdisches Leben in Deutschland geschützt werde. Er betonte aber auch, dass man nicht hinter «Schutzschilden» leben wolle. «Wir wollen frei leben in Deutschland, in unserem Land, frei leben in dieser offenen Gesellschaft».
Schuster äusserte sich entsetzt über aktuelle antijüdische Anfeindungen und antiisraelische Demonstrationen in Deutschland: «Wer verstehen will, warum der Terroranschlag auf Israel in der jüdischen Gemeinschaft auch in Deutschland tiefe Traumata, Ängste und Verunsicherungen hervorruft, der muss sich bewusst sein, was auch 85 Jahre nach der Reichspogromnacht in den jüdischen Seelen vorgeht, wenn wieder Davidsterne an Häuser von Juden gemalt werden, wenn wieder jüdische Geschäfte attackiert werden.»
Man muss sich auch eingestehen können, was in den letzten Jahren schiefgelaufen ist.
Der Präsident des Zentralrats verwies auf «eine Parallele in der Geisteshaltung» bei radikalen Islamisten und Rechtsextremen und geisselte auch die Verachtung für Lehren aus der Geschichte, die er bei linksextremen und linken Kreisen spüre. Hinter vorgehaltener Hand sei Antisemitismus bis in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen.
Was aus den Fugen geraten sei, könne noch repariert werden, sagte Schuster. «Doch dafür muss man sich auch eingestehen, was in den letzten Jahren schiefgelaufen ist, was man nicht hat sehen können oder wollen.»