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Hass in der Öffentlichkeit Swastika gesprayt, Koran verbrannt: Wo ist rechtlich die Grenze?

Rassismus und Feindlichkeit zeigen derzeit vielerorts ihr unschönes Gesicht – oft unbestraft. Doch in Bern tut sich was.

Schmierereien mit Nazi-Symbolen, Verbrennungen heiliger Schriften, heikle Parolen an Demonstrationen – in jüngster Zeit keine Seltenheit. Besonders in Verbindung mit dem Nahost-Krieg kommt es in der Schweiz und weltweit immer wieder zu Vorfällen. Doch was ist hierzulande eigentlich verboten?

Antisemitische Schmierereien

Mitten in Zürich: «Tot den Juden», gesprayt auf eine Wand. Fast zeitgleich in Küsnacht: mehrere Hakenkreuz-Graffitis im öffentlichen Raum.

Ein generelles Verbot von Swastika und ähnlichen Symbolen gibt es in der Schweiz zurzeit nicht – im Gegensatz zu Deutschland oder Österreich beispielsweise. Aber bereits heute kann es unter gewissen Umständen zu einer Verurteilung kommen. Dann nämlich, wenn Nazi-Symbole dazu verwendet werden, eine fremdenfeindliche Ideologie zu verbreiten.

Ständerat diskutiert über explizites Verbot im Dezember

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Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates will die Verwendung bestimmter Symbole in der Öffentlichkeit verbieten. Sie hat vergangene Woche eine entsprechende Kommissionsmotion verabschiedet, die in der Wintersession vom Ständerat beraten wird. Darin steht, dass rassendiskriminierende, extremistische und gewaltverherrlichende Symbole unter das Verbot fallen sollen. 

Vorgängig wurde die Motion 21.4354 «Keine Verherrlichung des Dritten Reiches. Nazisymbolik im öffentlichen Raum ausnahmslos verbieten» von Marianne Binder-Keller (Mitte/AG) eingereicht. Der Nationalrat hat sich hierzu im Mai bereits mit grosser Mehrheit für ein solches Verbot ausgesprochen.

Ein generelles Verbot von Nazi-Symbolen wäre laut Bundesamt für Justiz grundsätzlich auch umsetzbar. Das Amt warnt allerdings davor: Die Liste von Nazi-Symbolen, die häufig aus Zahlen oder Abkürzungen bestehen, sei lang und der Bezug zum Nationalsozialismus nicht bei allen Symbolen derart klar wie beim Hakenkreuz.

Verbrennungen von heiligen Schriften

In den vergangenen Monaten haben Koranverbrennungen für viel Aufregung und Wut gesorgt. So verbrannte beispielsweise in Stockholm am Rande einer bewilligten Kundgebung ein Mann eine Ausgabe des Korans vor einer Moschee. Er trat die Heilige Schrift der Muslime zunächst mit Füssen und zündete sie dann an – offenbar geschützt von der Meinungsfreiheit.

Wie wäre die Situation in der Schweiz? Der sogenannte Blasphemie-Artikel schützt in der Schweiz vor Verletzung religiöser Gefühle durch andere Personen: «Wer öffentlich und in gemeiner Weise (...) Gegenstände religiöser Verehrung verunehrt, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder Busse bestraft», so Artikel 261 des Strafgesetzbuches . «Nach meinem Dafürhalten ist die Koranverbrennung strafbar», bestätigt auch Rechtsprofessor Gerhard Fiolka von der Uni Freiburg.

Ist die Verbrennung von Fahnen verboten?

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Die Polizeipersonen nehmen eine Person fest.
Legende: Eine Person wird während einer propalästinensischen Demonstration am 13. Oktober 2023 in Berlin festgenommen. An diesem Tag wurde dort auch eine Israel-Fahne verbrannt. REUTERS/Fabrizio Bensch

Das Schweizerische Strafgesetzbuch bezieht sich nur auf tätliche Angriffe gegen Hoheitszeichen, die von offiziellen Vertretern angebracht werden.

In Artikel 270 StGB steht: «Wer ein von einer Behörde angebrachtes schweizerisches Hoheitszeichen, insbesondere das Wappen oder die Fahne der Eidgenossenschaft oder eines Kantons, böswillig wegnimmt, beschädigt oder beleidigende Handlungen daran verübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.» In Artikel 298 StGB steht dasselbe in Bezug auf Hoheitszeichen anderer Staaten, die «von einer anerkannten Vertretung dieses Staates öffentlich angebracht sind».

Umstrittene Parolen an Demonstrationen

Am Samstag solidarisierten sich in Bern Hunderte mit den Menschen in den palästinensischen Gebieten. Teilweise skandierten sie am bewilligten Anlass den umstrittenen Slogan «From the river to the sea, Palestine will be free». Auf diesen bezieht sich auch die Hamas in ihrer Verfassung von 2017: «Die Hamas lehnt jede Alternative zur vollständigen und uneingeschränkten Befreiung Palästinas vom Fluss (Jordan) bis zum Meer (Mittelmeer) ab.»

Die Parole drücke «die Gleichheit für alle Bewohner des historischen Palästina» aus, meint Nimer Sultany, Dozent an der School of Oriental and African Studies in London, gegenüber Al Jazeera. «Es klingt eher nach einer Drohung», wird Yehudah Mirsky, Rabbiner und Professor an der Brandeis University in den USA, zitiert.

«Äusserungen erreichen dann die sozial schädliche Schwelle, wenn einem Menschen oder einer Menschengruppe in der Öffentlichkeit das gleichberechtigte Dasein oder die Existenzberechtigung wegen einer anderen Hautfarbe, Ethnie oder Religionszugehörigkeit abgesprochen wird», so die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus zur Schweizer Diskriminierungsstrafnorm . Es geht demnach explizit darum, «Verhalten zu sanktionieren, welches das friedliche Zusammenleben in einer Gemeinschaft auf Dauer gefährdet». Aber nicht jede rassistische Äusserung ist strafbar.

Verletzt die Strafnorm die Meinungsäusserungsfreiheit?

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Das Bundesgericht betont explizit, dass die Meinungsäusserungsfreiheit im Rahmen der Diskriminierungsstrafnorm einen hohen Stellenwert einnimmt:

«Bei der Auslegung von Art. 261bis StGB ist der Freiheit der Meinungsäusserung (…) Rechnung zu tragen (…). Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Äusserungen zu politischen Fragen und Problemen des öffentlichen Lebens ein besonderer Stellenwert zukommt. In einer Demokratie ist es von zentraler Bedeutung, dass auch Standpunkte vertreten werden können, die einer Mehrheit missfallen und für viele schockierend wirken (…). Kritik muss dabei in einer gewissen Breite und bisweilen auch in überspitzter Form zulässig sein. (…). Werden durch eine extensive Auslegung der Normen des Strafrechts zu hohe Anforderungen an kritische Äusserungen gestellt, besteht die Gefahr, dass auch begründete Kritik nicht mehr vorgebracht wird (…).» ( BGE 131 IV 23 )

Zudem gilt: Rassistische Äusserungen im privaten Rahmen sind nicht strafbar.

SRF 4 News, 4.11.2023, 17 Uhr; srf/flal;abes

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