- Die US-Justiz klagt den früheren VW-Konzernchef Martin Winterkorn an. Der Vorwurf: Betrug und Mittäterschaft im Abgasskandal.
- Dies geht aus der Anklageschrift hervor. Ihm droht eine lange Haftstrafe.
- Die US-Behörden vermuten Winterkorn in Deutschland, von wo ihm vorerst keine Auslieferung droht.
Es ist die mit Abstand hochrangigste Anklage im «Dieselgate»-Verfahren: Das US-Justizministerium will nun auch den früheren VW-Konzernchef Martin Winterkorn strafrechtlich belangen.
«Wer versucht, die Vereinigten Staaten zu betrügen, wird einen hohen Preis bezahlen», erklärte US-Justizminister Jeff Sessions laut einer Mitteilung. Die Tatsache, dass kriminelle Straftaten des VW-Konzerns von der höchsten Ebene der Konzernführung abgesegnet gewesen sein dürften, sei erschreckend. Dies sagte der zuständige Staatsanwalt Matthew J. Schneider vom östlichen Bezirk Michigans.
Die Vorwürfe gegen den 70-jährigen Winterkorn wiegen schwer: Betrug sowie Verschwörung zum Verstoss gegen Umweltgesetze und Täuschung der Behörden. Das geht aus der Anklageschrift hervor. Diese hatte das zuständige Bezirksgericht in Detroit (US-Bundesstaat Michigan) am Donnerstag veröffentlicht. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm 25 Jahre Haft und eine Geldstrafe von maximal 275'000 Dollar.
Strafanzeige im März gestellt
Die US-Ermittler gehen davon aus, dass Winterkorn im Mai 2014 und Juli 2015 über die Abgasmanipulation informiert wurde. Er habe dann mit anderen Führungskräften entschieden, die illegale Praxis fortzusetzen.
Der Top-Manager war im September 2015 von seinem Amt zurückgetreten, kurz nachdem US-Behörden die Abgasmanipulationen von Millionen Dieselautos bei VW aufgedeckt hatten. VW hatte nur mit einer Schummel-Software Schadstoff-Grenzwerte eingehalten. Winterkorn hatte aber betont, sich keines Fehlverhaltens bewusst zu sein.
Die Strafanzeige gegen Winterkorn in den USA wurde laut der Anklageschrift bereits im März gestellt, aber erst jetzt veröffentlicht.
Winterkorn ist der neunte ehemalige oder aktuelle VW-Mitarbeiter, gegen den die US-Behörden Strafanzeige in der «Dieselgate»-Affäre stellen. Justizkreisen zufolge wird er aber in Deutschland vermutet, von wo ihm vorerst keine Auslieferung drohen dürfte. Laut einem Gerichtssprecher ist Winterkorn nicht in Haft.
Auch in Deutschland wird ermittelt
VW musste wegen des Skandals in den USA milliardenhohe Strafen zahlen. Durch die Affäre wurde auch das Image des Dieseltreibstoffs schwer beschädigt. Die Krise hält bis heute an. Die US-Justiz hatte zuvor bereits Strafanzeigen gegen acht amtierende und frühere Mitarbeiter des VW-Konzerns gestellt. Zwei von ihnen wurden bereits zu mehrjährigen Haftstrafen und hohen Geldbussen verurteilt.
Gegen Winterkorn und andere Manager wird auch in Deutschland ermittelt. Zum einen wegen des Anfangsverdachts des Betruges, zum anderen wegen Marktmanipulation. Anleger klagen deswegen auf Schadenersatz in Milliardenhöhe, weil die VW-Aktie nach Bekanntwerden des Skandals auf Talfahrt ging.
Glänzende Karriere
Die Manager sollen die Finanzmärkte im Herbst 2015 zu spät über den Abgasskandal informiert haben. Der Konzern wies diesen Vorwurf stets zurück.
Der Winterkorn hatte bis zu seinem Rücktritt im Herbst 2015 eine glänzende Karriere hingelegt. Zusammen mit dem früheren VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch stand er unangefochten an der Spitze des Autokonzerns – bis zum Ausbruch des Dieselskandals. Der frühere Audi-Chef Winterkorn war zuvor seit 2007 Konzernchef von Europas grösstem Autokonzern Volkswagen gewesen.
Grundlegender Wandel
Nachfolger Winterkorns war im Herbst 2015 der damalige Porsche-Chef Matthias Müller geworden. Müller wiederum war erst vor kurzem von VW-Markenchef Herbert Diess an der Konzernspitze abgelöst worden. Damit verbunden war ein massiver Konzernumbau.
Diess hat angekündigt, VW schlagkräftiger zu machen. Das Tempo für Innovationen solle erhöht, neue Akzente gesetzt werden. Die Autobranche ist mitten in einem grundlegenden Wandel hin zu alternativen Antrieben, immer mehr Internet im Auto und autonomen Fahrzeugen.