Es ist ein Spiel mit dem Feuer, was Wladimir Putin betreibt. Zwar kündigt er das New-Start-Abkommen nicht definitiv auf, doch er sistiert es. Die Wirkung ist dieselbe und sie ist unmittelbar: Russland hält sich von nun an nicht mehr an die Vereinbarungen.
Nicht mehr an die festgelegte Obergrenze von je maximal 1550 einsetzbaren Atomsprengköpfen und je 800 Trägersystemen. Nicht mehr an ein Atomtestverbot. Und nicht mehr an die regelmässigen Inspektionen und Kontrollen. Gerade sie sind das A und O bei jedem Abrüstungsvertrag. Ohne minutiöse Kontrollen fehlt jedes Vertrauen, dass sich auch die Gegenseite an die Verpflichtungen hält.
Misstrauen ist gefährlich, erst recht wenn es um die ganz grossen Atomwaffen geht, um Interkontinentalraketen, mit denen die grossen Mächte einander direkt angreifen und gegenseitig zerstören können.
Schon Ende Januar beklagten die USA, ihre Inspektoren hätten keinen Zugang mehr zu den russischen Anlagen. Russland sagte, umgekehrt sei das ebenso. An im Herbst in Kairo geplanten Gesprächen über die Wiederaufnahme der Inspektionen mochte Moskau nicht teilnehmen.
Minime Chance auf Meinungsänderung
Die Tragweite von Russlands jüngster Entscheidung ist enorm, die westliche Reaktion entsprechend bestürzt. «Verantwortungslos» nennt US-Aussenminister Antony Blinken den Schritt. Vom «Einreissen der gesamten Abrüstungsarchitektur» spricht Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Er hofft, Moskau davon noch abbringen zu können.
Die Chancen dafür sind minim. Zumal es gar nicht darum geht, dass man im Kreml mit dem Abkommen an sich unzufrieden war. Selbst wenn Putin argumentiert, New Start müsste auch französische und britische Atomwaffen mit einbeziehen. Doch deren Nukleararsenale sind winzig gegenüber jenen von Russland und den USA.
Die Wut des Kremlchefs
Bisher ging man gar davon aus, es liege im Interesse der USA, aber durchaus auch von Russland, an New Start festzuhalten. Das scheint auf einmal nicht mehr der Fall. Denn Putin geht es weniger um das Rüstungskontrollabkommen an sich. Er drückt vielmehr seine Wut aus über den Westen und wohl auch seine Frustration über den bisher wenig erfolgreichen russischen Feldzug in der Ukraine. Und tut das mit einem dramatischen Schritt.
Die Konsequenz ist fundamentale geostrategische Unsicherheit, ist maximales gegenseitiges Misstrauen. Und deutlich wird: Aus russischer Sicht geht es beim Konflikt mit dem Westen nicht mehr einzig und nicht einmal mehr primär um die Ukraine. Putin will einen umfassenden und damit wohl auch endgültigen Bruch zwischen Ost und West.